Börsen: „Das könnte böse enden“

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Steht an den Börsen ein Kurssturz bevor? Sowohl in den USA als auch in Europa streiten „Tauben“ und „Falken“ um den richtigen Weg der Geldpolitik.

Wien. Sind die aktuell hohen Börsenkurse Zeichen einer neuen Blase? Die Antwort auf diese Frage kennen nicht einmal die prominentesten Wirtschaftswissenschaftler. Aber zwei US-Ökonomen melden sich nun mit ihren Sorgen zu Wort. So sagte der heurige Nobelpreisträger, Robert Shiller, dem Magazin „Spiegel“ am Montag: „Ich gebe noch keinen Alarm, aber in vielen Ländern sind die Aktienmärkte auf einem hohen Level. Das könnte böse enden. Am meisten sorge ich mich über den Boom auf dem US-Aktienmarkt. Weil unsere Wirtschaft immer noch schwach und verletzlich ist.“

Seit der Finanzkrise 2008 stützt die US-Notenbank Federal Reserve die Märkte – mithilfe von extrem niedrigen Zinsen und Anleihenkäufen (Quantitative Easing, QE). Per QE pumpt die Fed derzeit 85 Mrd. Dollar pro Monat in die Märkte. Und weil Fed-Chef Ben Bernanke die Drosselung von QE von einer Verbesserung auf dem US-Arbeitsmarkt abhängig macht, blicken Anleger vor allem auf die US-Beschäftigungszahlen. Dadurch ist eine bizarre Dynamik entstanden: Sehen die Zahlen schlecht aus, steigen die Kurse – weil der Weg des billigen Geldes weitergeht. Kommen gute Zahlen über die Agenturen, fallen die Kurse: aus Angst, die Politik des billigen Geldes könnte enden.

Kenneth Rogoff, der Ex-Chefökonom des Internationalen Währungsfonds, sieht an den Börsen aber noch Spielraum nach oben. „Eine wirklich große Blase, die das System gefährdet“ sehe er noch nicht. Es bestehe aber die Gefahr, dass die Notenbanken die Kontrolle verlieren. „Weltweit lagern die Regierungen ihre Probleme bei den Notenbanken ab“, sagte Rogoff dem „Handelsblatt“.

Eine ähnlich lautende Beschwerde brachte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann zuletzt an. Es scheine, als seien Notenbanken die einzigen Spieler, die übrig sind, sagte Weidmann in einer Rede. Die Bundesbank gilt als Gralshüter einer Hartwährungspolitik, die den Euro als Nachfolger der legendären D-Mark betrachtet.

„Höhere Inflation akzeptieren“

Aber obwohl die Frankfurter EZB zuletzt auch ihren Leitzinssatz überraschend auf das Rekordtief von 0,25 Prozent gesenkt hat, so hat sie doch auf die direkte Staatsfinanzierung durch die Notenpresse (wie die Fed sie praktiziert) verzichtet. Kurz: Auch die EZB-Politik ist locker, aber nicht so locker wie jene der Fed. Vielen ist das ein Dorn im Auge. Auch Kenneth Rogoff sagte dem „Handelsblatt“, dass Europa eine höhere Inflation (als Folge einer noch lockereren Geldpolitik) akzeptieren soll. Es ist Wasser auf die Mühlen der sogenannten „Tauben“ in Europa, die auch im EZB-Rat in der Überzahl sind. So erinnerte der portugiesische Vize-Notenbankchef, Vitor Constancio, an seinen Standpunkt, dass die EZB sich nicht selbst beschränken dürfe: „Alle Instrumente liegen auf dem Tisch“, sagte er.

Dass die EZB wie die Fed Staatsanleihen kauft, ist aber eher unwahrscheinlich. Sie hat in der Krisenbekämpfung bisher nur Staatspapiere in der Höhe von rund 200 Mrd. Euro gekauft – fast nichts im Vergleich mit der Fed. Diese Form der Staatsfinanzierung ist vor allem den Deutschen ein Dorn im Auge. EZB-Chef Mario Draghi ist es gelungen, die Märkte mit der Ankündigung zu beruhigen, notfalls „alles zu tun, um den Euro zu retten“. Das wurde zwar als Wille interpretiert, weitere Staatspapiere zu kaufen. Derartiges wurde seitdem aber nicht notwendig. Der Bankensektor wünscht sich allerdings eine weitere Runde Spezialkredite, sogenannte LTRO.

Über diesen Weg billiger Kredite mit extralanger Laufzeit hat Mario Draghis EZB die europäischen Banken schon Ende 2011 und Anfang 2012 mit rund einer Billion Euro versorgt. (jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2013)

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