Prognosen: Wenn Ökonomen irren

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Die OECD lag bei ihren Wirtschaftsprognosen wiederholt daneben. Der OECD-Experte Andreas Wörgötter erklärt, warum – und welche Lehren sich daraus ziehen lassen.

Wien. Es gab für Wirtschaftsforscher gewiss schon angenehmere Zeiten. Eine Konjunkturprognose ist schon an sich kompliziert – aber in einer Krise lässt sich besonders schwer vorhersagen, wie sich die Wirtschaft entwickeln wird. Vor allem, wenn die Prognose über ein Jahr hinaus reicht. Auch die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), deren Prognosen international viel Gewicht haben, lag mehrmals daneben, wie sie in einem aktuellen Bericht einräumt. Durchschnittlich wurde das Wirtschaftswachstum der 34 Mitgliedsländer zwischen 2007 und 2012 um 1,4 Prozent zu hoch eingeschätzt.

Auch die Lage in Österreich wurde von den OECD-Ökonomen falsch eingeschätzt. Im Mai 2011rechneten sie damit, dass das österreichische Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2012 um 2,1 Prozent zulegt. „Tatsächlich hatten wir 0,6 Prozent Wachstum“, sagt Andreas Wörgötter, bei der OECD unter anderem für Österreich und Deutschland zuständig. Die weltweite Finanzkrise und die darauf folgende Euro- und die Staatsschuldenkrise sei ein einmaliges Ereignis gewesen, so Wörgötter im Gespräch mit der „Presse“. „Das Schwierigste für einen Prognostiker ist es, die Krise zu prognostizieren, so lange noch alles in Ordnung zu sein scheint.“

Die größten Fehler habe es bei den Prognosen für die Krisenländer in der Eurozone gegeben, heißt es in dem Bericht. Man habe die zunehmende Globalisierung nicht genügend beachtet – sowohl der Realwirtschaft als auch der Finanzmärkte. Auch den Geldmärkten sei nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt worden. Und auch die Probleme im Bankensektor und deren Auswirkungen wurden unterschätzt.

Die Prognosen für jene Länder, die später besonders mit ihren Banken zu kämpfen hatten, lagen am stärksten daneben. Wörgötter nennt als das „dramatischste“ Beispiel Slowenien. Im Mai 2011 war man davon ausgegangen, dass die slowenische Wirtschaft im Jahr 2012 um 2,6 Prozent wächst. Doch in der Krise platzte im „Spanien Zentraleuropas“ eine Immobilienblase, übrig blieben haufenweise faule Kredite. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte um 2,5 Prozent. Die OECD hatte sich um fünf Prozentpunkte verschätzt. Ähnlich im Fall der Eurozone: Statt zwei Prozent Plus, wie 2011 vorausgesagt, waren es am Ende minus 0,6 Prozent.

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Auch der IWF verschlief die Krise

Aber nicht nur die Krise wurde unterschätzt, auch die Erholung sahen die Experten zu optimistisch. Die Abwärtsspirale, die die Finanzkrise in Gang setzte, konnte in dieser Form nicht vorhergesagt werden. „Wir haben angenommen, dass die Eurokrise viel rascher überwunden wird“, sagt Wörgötter. Und dass die Krisenbekämpfungs- und Vorbeugungsmaßnahmen – etwa die Bankenunion – schneller installiert würden. „Jeder Fehler ist ein Ärgernis. Aber wir haben zu unseren Prognosen immer dazu gesagt, dass die Erholung von einer Finanzkrise langsamer vonstatten geht als in einem üblichen zyklischen Aufschwung“, sagt Wörgötter. Die Lehren aus der Krise: Man werde in Zukunft sensibler für Informationen aus dem Finanzbereich sein und sich mehr Gedanken darüber machen, welche Risken hier verborgen sein könnten. Auch der Entwicklung der Immobilienpreise schenke man nun mehr Aufmerksamkeit. „Es ist eine Erinnerung daran, dass die Wirtschaft ein lebender Organismus und Änderungen unterworfen ist.“

Die OECD war mit ihren Fehleinschätzungen ohnehin nicht alleine. Kein großes Wirtschaftsforschungsinstitut sagte die Krise voraus. So verschlief auch der Internationale Währungsfonds (IWF) die Eurokrise, wie der Brüsseler Thinktank Bruegel im Jahr 2011 feststellte – und das, obwohl er über Hilfspakete finanziell im Schlamassel mit drin steckt: Der Währungsfonds habe die Euroländer nur einzeln analysiert und nicht als Teil einer Währungsunion. Die Überwachung des IWF vor der Krise habe versagt.

ZUR SACHE

Die Finanz- und Wirtschaftskrise wurde von keinem großen Wirtschaftsforschungsinstitut vorhergesagt. Auch die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verschätzte sich bei ihren Prognosen. Noch im Mai 2011 rechnete sie für die Eurozone mit zwei Prozent Wirtschaftswachstum. Tatsächlich wurden es 0,6 Prozent minus. Die Gründe dafür waren unter anderem, dass den Problemen im Bankensektor nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Auch die zunehmende Globalisierung wurde nicht ausreichend berücksichtigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2014)

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