Das Gesetz der Oligarchie

Ex-Präsident Viktor Janukowitsch
Ex-Präsident Viktor JanukowitschEPA
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Wenn ein Regime fällt, müssen seine Nutznießer flink sein. Wer rechtzeitig überläuft, rettet sein Vermögen. Wer nicht, verliert viel.

Das Leben kennt keine Nachsicht. Fehler verzeiht es nicht. Wer zu spät kommt, den bestraft es, wird sich in den vergangenen Wochen mancher Oligarch in der Ukraine gedacht haben. Vor allem in den Tagen, als die EU über Kontosperren beriet, brachen viele Tycoons und Topbeamte nach Europa auf, um die Finanzen zu regeln. Retten, was zu retten ist. Für den, der sein Geld rechtzeitig umgeschichtet hat, hat sich die Eile bezahlt gemacht. Am Donnerstag nämlich hat die EU ebenso wie Österreich die Konten von 18 Ukrainern eingefroren. Der flüchtige Ex-Präsident Viktor Janukowitsch und seine Söhne befinden sich auf der Liste, dazu Sicherheitsfunktionäre und einige Oligarchen. Dennoch: Nicht jeder, der seine Auslandsfinanzen geregelt hat, hat damit auch schon sein gesamtes Vermögen gerettet. Die, die im eigenen Land den Moment für den Absprung versäumt haben, haben großflächig verloren. Vielleicht einfach aus Loyalität.


Loyale und Wendehälse. Andrij Kljujew ist so einer. Erst im Jänner hat Janukowitsch den Falken zum Leiter der Präsidialkanzlei erkoren. Zuvor ist Kljujew Vizepremier gewesen. Mit seinem Bruder Serhij gilt er schon lange als einer der Reichsten. Wo er sich jetzt aufhält, ist ungewiss. Seit Mitte der Woche ist er wie Janukowitsch von Kiew zur Fahndung ausgeschrieben. Serhij befand sich zumindest in der Vorwoche in Wien. „Entschuldigung, ich bin kein Oligarch“, stellte er im Interview mit der „Presse“ klar.

Imagepflege ist jetzt alles, zumal EU-Konten der beiden Brüder gesperrt sind. Dass sie seit dem Umbruch keine Oligarchen mehr sind, stimmt sogar. Genauso wie es stimmt, dass sie es davor waren. Ihre Kerngeschäfte: Buntmetalle und Finanzen. Von ihrer Slav AG in Wien aus haben sie den Solarstrommarkt in der Ukraine monopolisiert und von der Gewinnsteuer befreit.

„Nun sind die Kljujews die großen Verlierer des Umschwungs“, sagt ein westlicher Investmentbanker mit jahrelanger Ukraine-Erfahrung, der anonym bleiben möchte: Noch würden alle Unternehmer versuchen, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen: „Aber es ist davon auszugehen, dass es massive Besitzumverteilungen gibt.“

Auch der Besitz von Serhij Kurtschenko steht zur Disposition. Der 28-Jährige soll laut Augenzeugen in Moskau sein, wo sich einige aus dem Establishment befinden. Im Nobelvorort Barwicha sei Ende Februar eine Villa für 52 Mio. Dollar an eine Gruppe Ukrainer verkauft worden, teilte der russische Politiker Oleg Mitvol mit: Die Villa sei über ein Jahr ein Ladenhüter gewesen. Laut Mitvol sei Janukowitsch dort gesehen worden. Stimmt das, könnten auch seine Söhne und Kurtschenko nicht weit sein. Freund Kurtschenko verfügt laut ukrainischem Magazin „Korrespondent“ über 2,4 Mrd. Dollar. Ein exzentrischer Parvenü. Babyoligarch, würde man sagen. Vermögensverwalter, nannten wohl die, die wussten, wozu er im Spiel war. Geschäftlich hatte er eingesammelt, was ihm in die Quere kam. Nun ist er weg.

Demgegenüber haben die traditionellen Altoligarchen einen ungleich besseren Riecher für den Moment des Umschwungs bewiesen. Eines Tages haben sie Janukowitsch fallen gelassen. Und weil sie nie alle Eier in einen Korb legen, haben sie auch bei der Übergangsregierung einige Bonuspunkte. Die Rede ist vor allem von Rinat Achmetow und Dmitro Firtasch.

Ersterer, Herrscher über das Kohle- und Stahlrevier Donbass, lässt die von ihm kontrollierten Abgeordneten längst im Sinn der neuen Regierung votieren. Und, schockiert vom Vorgehen Russlands auf der Krim, appellierte der laut „Forbes“ mit 12,5 Mrd. Dollar Vermögen reichste Ukrainer für einen nationalen Schulterschluss. Nicht einmal Dmitro Firtasch, der mit den Russen vor allem im Gashandel eng kooperiert, ist richtig prorussisch. Eine gewisse Nähe zum Revolutionär und Boxer Vitali Klitschko hat Firtasch nie zugegeben. Aber Klitschko hat einen Vertrag mit Firtaschs TV-Kanal Inter. Dabei hat Firtaschs Clan noch bis Jänner den Präsidialamtsleiter bei Janukowitsch gestellt.

Dahergelaufen. Achmetow und Firtasch haben es gerade noch geschafft. Nun brauchen sie sich nur mit Ex-Premierministerin Julia Timoschenko einigen. Sie gilt als Racheengel. Schon hat sie ihren Intimus Oleg Turtschinow zum Premier gemacht und ihre Oligarchen zu Gouverneuren: den Stahlbaron und Achmetow-Konkurrenten Serhij Taruta und den gerissenen Banker Ihor Kolomojskij, der als drittreichster Ukrainer eben noch im Schweizer Exil war. Beide haben sich mit der Gegenseite immer arrangiert.

Mit wem sie nicht können, ist Wladimir Putin. Der Kreml-Chef sei schizophren, sagte Kolomojskij, der übrigens der AUA in der Ukraine einst Probleme gemacht hat. Die Antwort kam prompt: Kolomojskij, so Putin, sei ein „Dahergelaufener“, der schon den russischen Chelsea-Besitzer Roman Abramowitsch um Milliarden gelegt habe.

Pokerer

R. Achmetow. Er hat Janukowitsch groß gemacht. Im richtigen Moment zog er die Reißleine und wechselte die Seiten.


A. Kljujew. Er war Janukowitsch gegenüber loyal bis zum Schluss. Jetzt wird nach beiden gefahndet.


I. Kolomojskij. Der Stehaufmann. Aus dem selbst gewählten Exil zurück. Und gleich mit Putin im Clinch.
EPA (2), Reuters

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2014)

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