Kalter Krieg mit „Finanzwaffen“

File photo of U.S. President Obama meeting with Russian President Putin in Los Cabos
File photo of U.S. President Obama meeting with Russian President Putin in Los Cabos(c) Reuters (JASON REED)
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Russland und China rücken in Sachen Finanzsystem immer enger zusammen. Die USA planen indes die nächste Runde an Sanktionen, Europa steht dazwischen.

Wien. Während US-Präsident Barack Obama auf seiner Europatour von Regierungssitz zu Regierungssitz eilt, wird auch David Cohen am alten Kontinent unterwegs sein. Den Juristen werden dabei kaum Kameras begleiten, und es wird keine Liveübertragungen seiner Reden geben – weil er keine Reden halten wird. Cohen, politisch ein Demokrat, wird sich hinter sprichwörtlichen Polstertüren mit seinesgleichen Treffen: mit Finanzbeamten.

Er ist zum zweiten Mal binnen weniger Monate in Europa. Sein Thema: Russland, China und deren wachsender Widerstand gegen die amerikanische Vormachtstellung im Finanz- und Geldsystem. Sein Ziel: eine Batterie von „Finanzwaffen“ (so das „Wall Street Journal“) in Stellung zu bringen, die den Vorstoß aus dem Osten abzuwehren vermögen. Sein zweites Ziel: Diese „Waffen“ so zu gestalten, dass die europäischen US-Verbündeten nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.

„Wir haben in den vergangenen zehn Jahren neue Methoden entwickelt, um amerikanische Macht zu projizieren“, sagte Cohen kürzlich in einem Interview. Cohen ist Chef des Office of Terrorism and Financial Intelligence, kurz: TFI. Die Abteilung analysiert Finanzdaten nach Mustern, die auf Bedrohungen für die USA hinweisen könnten. Das TFI macht das US-Finanzministerium „zum einzigen Finanzministerium in der Welt, das einen eigenen Geheimdienst unterhält“, sagt Cohen laut „WSJ“. Was Cohens Büro entwirft, landet am Ende unter dem Titel „Sanktionen“ in den Zeitungen. So war das schon beim Iran – jetzt ist Russland das Ziel.

Die Diskretion der Amerikaner steht in krassem Gegensatz zum immer forscheren Auftreten von Russlands Präsident Vladimir Putin, der wiederum auf wachsende Unterstützung aus Peking setzen kann. Erst in dieser Woche wurden Pläne für eine gemeinsame Ratingagentur von Russen und Chinesen bekannt, die das US-dominierte Oligopol von Moody's, Standard & Poor's und Fitch brechen soll – ein Plan, den sogar die Europäer vor einigen Jahren hegten, der aber im Sand verlief. Während Putins Besuch in Peking im Mai unterzeichneten die Staaten einen „historischen“ (Putin) Gas-Deal, der sie auf Jahrzehnte aneinander bindet – sogar über eine formale Allianz wird spekuliert.

Russische Kreditkarten?

Diese ökonomische Auseinandersetzung hat ihren Anfang keineswegs erst mit Beginn der Krise in der Ukraine genommen, sondern ist eine Folge wachsenden Selbstbewußtseins in Moskau – und vor allem in Peking. Die kommunistische Führung Chinas macht gar kein Geheimnis daraus, das sie die Staatswährung Yuan einmal zur Leitwährung der Welt machen möchte. Davon ist man freilich noch sehr weit entfernt. Ähnliches gilt für BRICS-Pläne, den Internationalen Währungsfonds durch eine neue Behörde zu ersetzen. Der Plan ist entworfen, mehr aber noch nicht.

Es stehen sich äußerst ungleiche Gegner gegenüber. Einerseits Washington, das einen riesigen Schuldenberg von rund 106 Prozent des BIP vor sich herschiebt – aber auch auf eine „makellose Kredithistorie“ verweisen kann, wie die deutsche Tageszeitung „Die Welt“ schreibt. Andererseits Russland und China, die zwar kaum Schulden haben (13 bzw. 20 Prozent des BIP) – aber auch noch keine brauchbare Finanzinfrastruktur, die das Dollarsystem ablösen könnte.

Eine wichtige Front – für David Cohen genauso wie für seine Widersacher – sind die Kreditkartensysteme. US-Firmen wie Visa und Mastercard dominieren dieses Geschäft weltweit – was Sanktionen und Terrorbekämpfung für Washington erleichtert. Der US-Dollar spielt im Währungssystem eine ähnliche Rolle. Er wird von den Zentralbanken als Reserve gehalten – vor allem, weil man Dollar braucht, um Öl zu kaufen. Hier werden die eigenen Sanktionen gegen politische Gegner auch für Washington knifflig.

Wie das Beispiel Iran gezeigt hat, zwingen Sanktionen die betroffenen Staaten dazu, Alternativen zu entwickeln. Der Iran hat sich sein Öl von der Türkei daraufhin teilweise in purem Gold bezahlen lassen. Dieser Sanktions-Schuss ging nach hinten los.

Japan und China haben bereits nationale Kreditkartengesellschaften. Die russische wird kommen – aber das braucht Zeit. Und darauf zielt David Cohen ab: Der US-Dollar sitzt nach Jahrzehnten der Vorherrschaft weiter fest im Sattel. Cohens Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass das so bleibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2014)

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