Argentinien kämpft gegen Staatspleite

(c) APA/EPA/Carlos Brigo (Carlos Brigo)
  • Drucken

Die Regierung in Buenos Aires lenkt ein und stimmt Verhandlungen mit den Hedgefonds zu. Noch vor Kurzem wurden die Fonds als „Geier“ verunglimpft.

Buenos Aires. „Die einzige Wahrheit ist die Realität.“ Es hat den Anschein, als habe Cristina Kirchner inzwischen eingesehen, dass dieser Satz von Juan Domingo Perón, dem Gründer ihrer politischen Bewegung, bis heute Gültigkeit hat. Am Montagmorgen gab Argentiniens Kabinettschef, Jorge Capitanich, bekannt, dass die Anwälte der Republik „eine formelle Präsentation vor dem US-Richter Griesa machen werden, um gerechte Bedingungen für eine Verhandlung mit 100 Prozent der Gläubiger zu erzielen.“

100 Prozent der Gläubiger, so lautet offenbar der neue offizielle Terminus für jene, die vorige Woche von der Präsidentin noch als „Geier“ und „Erpresser“ tituliert wurden, weil sie sich nicht – wie 93 Prozent der Anteilseigner – mit der Rückzahlung von 35 Prozent ihrer vor 2001 an Argentinien geliehenen Gelder abfinden wollen. Zwei Tage nach dem Spruch des Obersten Gerichtshof in Washington, sich nicht mit dem Streit zwischen Argentinien und zwei Hedgefonds um die Rückzahlung aus dem Staatsbankrott 2001 einzuschalten, waren in ganz Buenos Aires Plakate geklebt, die eine US-Flagge zeigten samt einem besonders besudelten Greifvogel. „Geier raus aus Südamerika“, las sich die Botschaft für den Anhang der Präsidentin, die seit Jahren bei jeder Gelegenheit verkündet hatte, „keinen Centavo“ an die Hedgefonds zu zahlen. Die Reduktion der Auslandsschulden war jahrelang Maxime der Regierung Kirchner.

Noch vor Kurzem bemühte Wirtschaftsminister Axel Kicillof das linke Motto aus dem spanischen Bürgerkrieg: „No pasarán“ – „sie werden nicht weiterkommen!“ Ob der Wirtschaftshistoriker Kicillof dabei wohl bedacht hat, dass die Kommunisten einst den Kampf gegen die Truppen des General Franco verloren?

Die Sieger des Streits hielten sich nicht mit historischen Analogien auf. Schon am Morgen nach dem Spruch des Supreme Court gingen Anwälte der zwei Hedgefonds vor ein kalifornisches Gericht. Argentinien muss am 30. Juni umgeschuldete Anleihen in New York bedienen.

Und US-Richter Griesa ließ Argentinien wissen, dass jeglicher Versuch, den Schuldendienst aus New York nach Buenos Aires zu verlegen, seinem Urteil widerspreche und somit als Zahlungsausfall zu werten sei.

Nur acht Prozent Zinsen?

Die unkalkulierbaren Risken eines neuen Defaults brachten Kirchner zum Einlenken. Nun geht es nicht mehr um das „Ob“, sondern nur noch um das „Wie“. Denn Argentinien könnte wohl die zwei siegreichen NML Capital Ltd und Elliott Management Corp, deren Außenstände sich auf etwa 1,5 Milliarden Dollar summieren, bar auszahlen. Aber kaum all jene anderen Gläubiger, die bislang nicht geklagt haben. Dazu gehören weitere Fonds, aber auch viele private Gläubiger. Paul Singer, der milliardenschwere Boss des Hedgefonds Elliott, hat offenbar bereits signalisiert, neue argentinische Bonds zu akzeptieren. Diese könnte Argentinien wohl künftig günstiger aufnehmen, sollte sich eine Einigung abzeichnen.

Denn Kirchners Kapriolen hatten dazu geführt, dass dem Land der internationale Kapitalmarkt faktisch verschlossen war. Nun, so die Signale der Wall Street, könnten die Zinsen für Argentinien von zwölf auf acht Prozent sinken. Mit seinen inzwischen relativ geringen Auslandsschulden und den riesigen nicht konventionellen Vorkommen an Gas (etwa Schiefergas) und Erdöl könnte das Land durchaus wieder Dollar-Kredite bekommen.

Diese wären dringend notwendig, denn die Devisenknappheit hat eine Rezession ausgelöst. Abwertungen, Währungskontrollen, hohe Zinssätze und Importbeschränkungen haben 15 Monate vor den Präsidentschafts- und Gouverneurswahlen die Konsumfiesta abgewürgt, die dem Land jahrelang Wachstum vorgaukelte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

ARGENTINA GOVERNMENT
International

Die Pleitegeier kreisen erneut über Argentinien

Urteil. Laut US-Höchstgericht muss Argentinien Schulden aus der Zeit vor der Staatspleite voll begleichen. Das stürzt das Land in neue Probleme.
Handout shows Argentina's President Cristina Fernandez de Kirchner addressing the nation from Government House in Buenos Aires
International

Droht Argentinien erneut der Staatsbankrott?

Die schwere Finanzkrise ist auch nach zwölf Jahren nicht ausgestanden: Laut einem US-Urteil muss Argentinien Milliarden an Hedgefonds zahlen.
International

Argentinien: Schuldenstreit mit Staaten des Pariser Clubs beendet

Argentinien will seine Staatsschulden in der Höhe von 9,7 Milliarden Dollar binnen fünf Jahren begleichen.
ARGENTINA GOVERNMENT
International

Die Pleitegeier kreisen erneut über Argentinien

Urteil. Laut US-Höchstgericht muss Argentinien Schulden aus der Zeit vor der Staatspleite voll begleichen. Das stürzt das Land in neue Probleme.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.