Zweifel an Mario Draghis Geldspritze

European Central Bank (ECB) President Draghi addresses the monthly ECB news conference in Frankfurt
European Central Bank (ECB) President Draghi addresses the monthly ECB news conference in FrankfurtREUTERS
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Der Chef der Europäischen Notenbank will die Kreditvergabe in der Eurozone ankurbeln. Doch Analysten sind sich nicht sicher, ob ihm das auch gelingen wird.

Frankfurt. Anfang Juni wagte der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, einen historischen Schritt. Er senkte den Leitzinssatz im Euroraum von 0,25 auf 0,15 Prozent, führte einen Strafzins auf Bankeinlagen ein und kündigte milliardenschwere Geldspritzen an.

Ziel der Aktion ist es, die Institute zur Kreditvergabe an Verbraucher und Unternehmen zu bewegen, damit sie ihr Geld nicht bei der EZB parken. Doch Analysten zweifeln, ob das gelingen wird. Experten bei Barclays oder der Commerzbank befürchten, das das Programm den Banken billiges Zentralbankgeld verschaffe, ohne dass die Kreditvergabe angekurbelt wird.

Scheitert der Plan, besteht das Risiko, dass die Währungsunion weiter in Richtung Deflation rutscht. Seit Monaten ist die Inflation in der Eurozone auf einem sehr niedrigen Niveau. Im Juni lag sie bei 0,5 Prozent. Die Notenbank strebt hingegen eine Rate von knapp zwei Prozent an.

„Jeder Anreiz für die Banken, Geld zu verleihen, ist gut, aber ich bin mir nicht sicher, dass mehr Kredite vergeben werden“, sagt Philippe Gudin, leitender Volkswirt Europa bei Barclays.

Den Banken werden über längerfristige Refinanzierungsprogramme (TLTROs) bis zu 400 Mrd. Euro angeboten. Mit diesem Geld soll die Kreditvergabe angekurbelt werden. Banken können sich bis zu sieben Prozent ihres Kreditvolumens von der Zentralbank holen. Bis zum Jahr 2016 müssen sie dafür quasi keinerlei Bedingungen erfüllen. Wenn sie bestimmte Zielvorgaben nicht erreichen, reicht es, wenn sie die Mittel einfach zurückzahlen.

Erwartungen sind zu hoch

Draghis Plan, wonach das Programm der Realwirtschaft zu mehr Krediten verhelfen wird, steht die Tatsache entgegen, dass die Banken die Vergabe von Krediten gar nicht erhöhen müssen. In einigen Fällen können sie sie sogar senken.

Angesichts des schwachen Ausblicks für die Kreditvergabe seien die Aussichten auf eine Ausweitung des Darlehensvolumens verhalten, sagt Marco Valli, leitender Volkswirt für den Euroraum bei der UniCredit. „Es ist unwahrscheinlich, dass Unternehmen, die nicht die Absicht hatten, zu investieren, jetzt damit anfangen werden“, sagte Valli. Fraglich sei etwa, ob Banken in den Peripherieländern– wo die Schulden des privaten Sektors weiter abgebaut werden müssen– in der Lage sein werden, innerhalb eines Jahres die Nettokreditvergabe stabil zu halten oder zu steigern.

Nach Ansicht von Jan von Gerich, Analyst bei der Nordea Bank, seien die Erwartungen der Europäischen Zentralbank an ihre Maßnahmen zu hoch. „Das Programm wird die Wirtschaft im Euroraum stützen, aber es reicht nicht aus, um die niedrige Inflation zu bekämpfen. Es gibt Spielraum für aggressivere Maßnahmen.“

ABS-Markt anwerfen

Bei der jüngsten Sitzung der Notenbank im Juli machte Draghi klar, dass die EZB gegebenenfalls auch weitere unkonventionelle Maßnahmen im Rahmen ihres Mandats einsetzen werde, um einer niedrigen Inflation Vorschub zu leisten.

In diesem Zusammenhang nannte Draghi ausdrücklich den Kauf von Kreditpaketen (Asset Backed Securities/ABS). Diese Verbriefungen waren im Zuge der Finanzkrise in Verruf geraten. Die entsprechenden Vorarbeiten für die Käufe solcher Papiere, mit denen Banken Kreditrisken bündeln und aus ihrer Bilanz entfernen können, seien vorangekommen, sagte Draghi. „Wir sind an ABS interessiert, um die Schwäche bei der Kreditvergabe zu beheben. Und wir wollen die Kreditvergabe in die Realwirtschaft lenken, besonders in den Mittelstand.“ (Bloomberg/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2014)

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