Ölwerte: Branche im Umbruch

Raffinerie Schwechat
Raffinerie SchwechatClemens Fabry
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Unruhen in Ölstaaten sind nicht das einzige Problem, das den Ölsektor belastet. Neue Wege in der Förderung werfen Fragen auf. Langfristig gelten Ölwerte als sichere Anlagehäfen.

Zumindest auf den ersten Blick scheint der Ölpreis derzeit verrückt zu spielen. Dass er trotz der Krisen im Nahen Osten und der Sanktionen gegen Russland Mitte dieser Woche auf ein 13-Monats-Tief gefallen ist, wundert auch Analysten. „Weil es bei vergangenen Risken zu keinen Produktionsunterbrechungen gekommen ist, unterschätzen die Marktteilnehmer die Gefahr“, so Eugen Weinberg, Rohstoffanalyst der Commerzbank: „Die Wetten auf steigende Preise wurden seit Anfang Juli um 55 Prozent reduziert.“

Auf den zweiten Blick hat der tiefere Ölpreis auch seine Logik: Die US-Lagerbestände seien hoch, und wegen der zunehmenden Förderung durch das umstrittene Fracking sei die US-Eigenproduktion auf das höchste Niveau seit 1972 gestiegen, weiß Walter Vorhauser, Händler bei der Frankfurter Bank „Close Brothers Seydler“: „Das wird die Preise weiterhin drücken.“

Der Fracking-Boom stellt die Ölbranche daher genauso vor neue Herausforderungen wie die immer unzugänglicheren Lagerstätten für die konventionelle Förderung. Weil Letztere immer teurer wird, wird sie von Aktionären kritisch verfolgt. Kein Wunder, bedenkt man, dass die Branchengrößen Exxon-Mobil, Royal Dutch Shell, BP, Total, Chevron und Conoco Phillips die Investitionen in die Förderung fossiler Brennstoffe 2013 um 83 Prozent (gegenüber dem Jahr 2007) steigerten, die Produktion aber dennoch um 6,5 Prozent zurückging.

Vor diesem Hintergrund und wegen des niedrigen Ölpreises würden die Unternehmen in nächster Zeit nicht mehr die Gewinne von früher einfahren, so Vorhauser.

Die OMV etwa hat bereits für das erste Halbjahr 60 Prozent weniger Gewinn ausgewiesen. Seit Jahresbeginn hat die OMV-Aktie über 15 Prozent verloren. Auch die norwegische Statoil verzeichnete im zweiten Quartal einen Gewinnrückgang, Shell und BP hingegen legten zu. Branchenführer ExxonMobil und Russlands Branchenprimus Rosneft zeigten einen Gewinnsprung.

An der Börse freilich mussten zuletzt alle Federn lassen. „Langfristig sind die Titel interessant“, meint Vorhauser: „Vor allem, wenn wieder sichere Anlagehäfen mit guten Dividendenrenditen gesucht werden.“ Die Dividendenrenditen der Ölkonzerne liegen fast alle über vier Prozent, bei Rosneft und BP über fünf Prozent. Über BP freilich lasten nicht nur die Beteiligung an der vom Westen mit Sanktionen belegten Rosneft, sondern auch 43 Mrd. Dollar an Folgekosten durch die Explosion der Ölplattform Deepwater Horizon. Bei Rosneft selbst mahnen Analysten zur Vorsicht wegen möglicher neuer Sanktionen. Die Russen aber haben China als wichtigen Abnehmer. Unter den Branchengrößen hat Rosneft laut Bloomberg-Konsens das größte Kurspotenzial (43,3 Prozent) – gefolgt von OMV (17,3 Prozent), BP (12,8 Prozent) und Shell (10,3 Prozent).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2014)

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