Frankreich rügt Deutschland: Sparkurs bremst Wachstum

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Der Stabilitätspakt wird zum Zankapfel in der EU. Während Frankreich ein Wachstum auf Pump (mittels höherer Staatsausgaben etwa für Infrastrukturprojekte) propagiert, gelten in Deutschland überbordende Schulden als Sakrileg.

Paris/Berlin. Solides Wirtschaftswachstum – von diesem Ziel träumen nicht nur die krisengeschüttelten Länder Südeuropas, sondern auch die Wirtschaftsgroßmächte im Zentrum und die Musterschüler im Norden Europas. Das ist aber auch schon der einzige gemeinsame Nenner der europäischen Wirtschaftspolitik. Was den Weg aus der Misere betrifft, gehen die Meinungen stark auseinander. Wobei es dabei nicht nur einen Nord-Süd-Konflikt gibt – auch die großen Wirtschaftsnationen Frankreich und Deutschland driften auseinander, wie sich am Wochenende gezeigt hat.

Frankreichs Wirtschaftsminister, Arnaud Montebourg, hat nämlich – wenige Wochen nach Präsident François Hollande – die Budgetpolitik Deutschlands scharf kritisiert. Die größte Volkswirtschaft der Eurozone sei in einer Sparpolitik gefangen, die sie ganz Europa aufgezwungen habe, sagte Montebourg der Zeitung „Le Monde“. Er mahnte einen neuen Kurs der Wirtschaftspolitik an, bei dem die Bewältigung der Krise Vorrang habe.

Der für seine markigen Worte bekannte Minister betonte, der Ausweg aus der Krise habe auch Vorrang gegenüber dem Abbau der Haushaltsdefizite. Die bisherige Sparpolitik in der Eurozone habe die Arbeitslosigkeit nur ansteigen lassen. Das mache Budgetverbesserungen unmöglich und treibe die Menschen in vielen Ländern in die Arme extremistischer Parteien.

Wachstumsziele gekippt

Die sozialistische Regierung in Paris steht mit dem Rücken zur Wand: Nach erneut schwachen Wirtschaftsdaten hat sie ihre Wachstumsziele für dieses und nächstes Jahr gesenkt. Vor wenigen Tagen wurde die BIP-Prognose für 2014 auf 0,5 Prozent halbiert. Das Defizit dürfte mit mehr als vier Prozent wieder über den EU-Vorgaben liegen. Und die Verschuldung dürfte mit 96,6 Prozent im nächsten Jahr höher als heuer ausfallen. Dazu kommt die hohe Arbeitslosigkeit, die den Konsum hemmt.

Während Frankreich ein Wachstum auf Pump (mittels höherer Staatsausgaben etwa für Infrastrukturprojekte) propagiert, gelten in Deutschland überbordende Schulden als Sakrileg. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) denkt offenbar auch nicht daran, von seinem Kurs abzuweichen. Und der heißt Defizitabbau und Wachstum durch privaten Konsum.

Ungeachtet des überraschenden Rückgangs der Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent im zweiten Quartal hält das deutsche Finanzministerium auch an einem positiven Szenario fest. Die deutsche Wirtschaft soll heuer noch mehr als jene 1,8 Prozent wachsen, die in der Frühjahrsprognose errechnet worden sind. Voraussetzung dafür sei, wie der „Spiegel“ aus einer internen Vorlage des Ressorts zitiert, dass die Beschäftigungsentwicklung und das Vertrauen der Konsumenten und Investoren stärker ausfalle als bislang angenommen. Die Chancen, dass dies tatsächlich passiert, halten Schäubles Experten für gut.

Italien will Rechentrick

Frankreichs Vorstoß hat indes in Italien neue Hoffnung geschürt, sich mit der alten Forderung nach Flexibilität nun Gehör zu verschaffen. Investitionen für wichtige Infrastrukturprojekte sollten aus der Defizitkalkulation herausgehalten werden, verlangt Rom. Verkehrsminister Maurizio Lupi sagte, bei einem informellen Treffen mit den EU-Ressortkollegen Mitte September sollten Möglichkeiten zur Förderung des Wirtschaftswachstums diskutiert werden. (Reuters/eid)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2014)

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