EU: Mehr IT-Förderung für Kinder

(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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In einigen europäischen Ländern ist Programmieren in der Schule bereits ein Pflichtfach. Die Wirtschaft hätte es auch hierzulande bitter nötig, denn IT-Fachkräfte fehlen.

Wien. Bis 2015 fehlen in der EU 900.000 IT-Fachkräfte. Mit dieser Zahl wirbt die EU-Kommission für mehr Engagement bei Aus- und Weiterbildung in den Mitgliedstaaten. Die Angst: Europa könnte in der digitalen Wertschöpfung komplett ins Hintertreffen geraten und stärker in die Abhängigkeit ausländischer, vornehmlich amerikanischer, Konzerne geraten. IT-Fachkräfte werden nicht nur in der klassischen IT-Branche gesucht. In fast allen Unternehmen sind in den kommenden Jahren Mitarbeiter mit solider Digitalkompetenz gefragt. In der Ausbildung kann man nicht früh genug diese Kompetenz vermitteln. „Möglichst schon im Kindergarten“, meint die Wiener Gemeinderätin Barbara Novak im Vorfeld der „Codeweek“, einer EU-Initiative, die diese Woche auch in Österreich startet.

ITler wandern oft ab

Novak gehört zu dem Expertenteam, das EU-Digital-Ambassadorin Meral Akin-Hecke für die Codeweek in Österreich zusammengestellt hat. Ab 11. Oktober gibt es in Wien und Umgebung zahlreiche Veranstaltungen, die Kinder und Erwachsene an das Programmieren heranführen sollen. „In Österreich sind wir laut einer OECD-Studie bereits bei den IT-Grundkenntnissen nicht sehr weit vorne“, sagt Akin-Hecke im Gespräch mit der „Presse“. „Die Knappheit an IT-Fachkräften wird uns in Europa in den nächsten Jahren treffen.“

Österreichische Firmen teilen diese Sorge. „Es gibt zu wenige Uni-Absolventen, und viele gute ITler wandern ab“, sagt Anton Bayer vom Software-Unternehmen Catalysts. Der IT-Sektor mache in Österreich bereits viermal so viel Umsatz wie etwa der Tourismus. In Wien sei jeder fünfte Arbeitsplatz ein IT-Job. Die Wirtschaft könne sich hier nicht auf die Bildungseinrichtungen verlassen und nehme das Problem selbst in die Hand, so Bayer. Um mehr Jugendliche für IT-Berufe zu begeistern, veranstaltet Catalysts einen der größten Programmierwettbewerbe Europas. Die Einstiegsschwelle ist niedrig. Die Aufgabe lautet etwa, einen Roboter so zu programmieren, dass er selbstständig von A nach B findet. Dazu werden die Teilnehmer Schritt für Schritt angeleitet, sagt Catalysts-Geschäftsführer Christoph Steindl. Gewinner ist, wer die Aufgabe am schnellsten löst.

In Zukunft wünschen sich Unternehmen wie Catalysts auch eine stärkere Unterstützung durch Bildung und Forschung. Das leuchtende Vorbild ist der Österreichische Skiverband. Dort sei es bestens gelungen, mit Skischulen und Skiakademien Talente gezielt zu fördern. In Österreich ist das Schulsystem allerdings noch weit von diesem Ziel entfernt. Während in Estland Programmieren ein festes Schulfach ist und Finnland spätestens 2016 nachzieht, sind in Österreich noch viele Hürden zu nehmen. Am schwersten wiegt, dass die meisten Schulen schlicht nicht über eine geeignete IT-Infrastruktur verfügen. Vor allem kleinen Gemeinden müsste man hier unter die Arme greifen. Die zweite große Baustelle ist die Lehrerausbildung.

Weiterbildung nötig

In den pädagogischen Hochschulen können nur Grundkenntnisse vermittelt werden. Die Schwierigkeit liegt an der raschen Weiterentwicklung am Digitalsektor. Es sei sehr schwer, da mit Fortbildungen am Ball zu bleiben. Novak wünscht sich hier eine engere Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Große Konzerne wie Microsoft oder Catalysts hätten bereits bestens ausgebildete Trainer, die nach einer kleinen pädagogischen Einweisung Teile des EDV-Unterrichts übernehmen könnten.

Derzeit arbeitet man in Wiener Mittelschulen daran, in allen Fächern Digitalkompetenz zu vermitteln und die Lehrer dementsprechend zu schulen. Das Projekt basiere jedoch auf Freiwilligkeit, kritisiert Akin-Hecke. Programmieren als eigenes Schulfach ist in Österreich noch lange kein Thema.

AUF EINEN BLICK

Programmieren. Im Rahmen der „Codeweek“ können Kinder, Jugendliche und Erwachsene von 11. bis 17. Oktober in Wien und Umgebung in verschiedene Themen rund um Programmieren, Internet und Computerspiele schnuppern. Das genaue Programm findet sich unter codeweek.at. Programmieren als eigenes Schulfach oder als zweite Fremdsprache ist in Österreich noch lange kein Thema– derzeit gibt es nicht einmal verpflichtenden EDV-Unterricht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2014)

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