Elektroauto: Rettung aus der Steckdose

(c) Reuters (Rebecca Cook)
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Autoriese General Motors stellte am Dienstag das erste in Serie gefertigte Elektroauto der Welt vor. Der „Volt“ soll die Zukunft des angeschlagenen Automobilkonzerns retten.

Washington. Ausgerechnet General Motors. Jene Firma, die Autoungetüme wie den Hummer oder den Chevrolet Suburban zu verantworten hat, deren Größe nur noch von deren Verbrauch überboten wird; die jahrzehntelang die schwersten, breitesten und längsten Autos der Welt herstellte. Ausgerechnet GM bringt das erste Elektroauto der Welt auf den Markt.

Der „Volt“, der gestern in Detroit vorgestellt wurde, wiegt nicht einmal ein Drittel des Suburban; er hat halb so viel PS wie ein regulärer Hummer und vier Zylinder weniger. Doch von diesem für US-Verhältnisse winzigen Pkw, der ab November 2010 erhältlich sein soll, hängt die Zukunft des größten Autokonzerns der Welt ab.

„General Motors setzt alles auf den Volt. Die Firma hofft, dass sie mit ihm die Autowelt revolutioniert und alle Kunden zurückkommen, die man in den vergangenen Jahren verloren hat“, erklärt der Analyst Peter Osten.

Reichweite von 60 Kilometern

Der „Volt“ ist tatsächlich ein revolutionäres Fahrzeug. Er wird von 400 Kilogramm schweren Lithium-Ionen-Batterien angetrieben, die ihm eine Reichweite von etwas mehr als 60 Kilometer bescheren. Das scheint wenig, doch ist das genau auf die amerikanischen Pendler ausgelegt: Sie fahren im Schnitt pro Tag 40 Meilen.

Am Abend schließt man den „Volt“ an die Steckdose an, binnen sechs Stunden sind die Batterien aufgeladen. Will man längere Strecken zurücklegen, schaltet sich ein Benzinmotor ein, der aber nicht das Fahrzeug antreibt, sondern die Batterien auflädt. Der 50-Liter-Tank soll die Reichweite auf 400 Meilen erhöhen. Angetrieben wird der Volt von vier Zylindern, er hat 160 PS und Platz für vier Passagiere.

General Motors zelebrierte die Vorstellung des „Volt“ als einen Schritt ins nächste Jahrtausend – auch wenn das schon vor acht Jahren angefangen hat. Das Elektroauto wurde auf den Tag genau 100 Jahre nach jenem 16. September 1908 präsentiert, an dem William Durant nach der Übernahme von Buick General Motors gründete. „Der Volt hat die Möglichkeit, das erfolgreichste Auto in der Geschichte der Firma zu werden“, meinte Robert Stempel, ehemaliger Chef von GM. Mehr oder weniger ein Ford T des 21. Jahrhunderts.

Das Elektroauto soll den strauchelnden Riesen retten, der seit 2005 Verluste von 70 Milliarden Dollar anhäufte – mehr, als die Investmentfirma Merrill Lynch auf dem US-Immobilienmarkt verloren hat. In Zeiten von Benzinpreisen von knapp vier Dollar pro Gallone (3,78 Liter) wandten sich Kunden zu tausenden von den sechs Meter langen SUVs ab, die mehr als 15 Liter auf 100 Kilometer schlucken, und die GM in 24-Stunden-Schichten produzierte. Weil die Lager voll von Tahoes, Suburbans und Denalis sind, kann man derzeit in den USA die Wohnzimmer auf Rädern zum Mitarbeiterpreis kaufen.

Gute Geschäfte mit SUVs

Bis vor wenigen Jahren, als man für die Gallone noch 1,40 Dollar bezahlte, waren große Geländewagen ein garantierter Verkaufserfolg in den USA. Die „großen Drei“ von Detroit – GM, Ford und Chrysler – schienen den Jackpot geknackt zu haben, weil sie an jedem verkauften SUV weitaus mehr verdienten als an einem Kompaktwagen.

Doch mit dem Höhenflug der Benzinpreise sank das Interesse an den Spritfressern. Die Kunden kauften kleine japanische Kompaktautos, Hybrid-Fahrzeuge wie der Toyota Prius haben eine monatelange Wartezeit.

GM hofft, mit dem Volt einen ähnlichen Erfolg zu haben. Schon einmal begeisterte der Autohersteller Umweltaktivisten in den USA, als er in den 90er Jahren den EV-1, ebenfalls ein Elektroauto, baute. Als man die hunderten Testautos vorzeitig einzog und zerstörte, sorgte das bei den Anhängern für einen Aufschrei der Empörung. Es gab Demonstrationen und Boykott-Aufrufe und den überaus GM-kritischen, prämierten Dokumentarfilm „Who Killed the Electric Car?“

Auch diesmal läuft man Gefahr, die erwartungsvollen Fans zu enttäuschen. Bisher hat GM bereits mehr als 40.000 Vorbestellungen für den Volt. Doch der Preis wurde schon wieder angehoben – von Mitte 30.000 Dollar auf Mitte 40.000 Dollar. Dazu kommen die Probleme, die Laptop-Hersteller mit Lithium-Ionen-Batterien in der Vergangenheit hatten: Notebooks fingen Feuer, weil die Akkus zu heiß wurden.

Hitze sei kein Problem, man habe dieses wie auch alle anderen Probleme im Griff, versicherte GM. Wenn nicht, dann wird nicht nur der „Volt“ untergehen.

Auf einen Blick

General Motors ist bekannt für große Autos wie Hummer. Nun präsentierte der US-Konzern sein Elektroauto „Volt“. Es wird über Nacht an die Steckdose angesteckt. Strombetrieben hat das Auto, das Platz für vier Passagiere bietet, eine Reichweite von 60 Kilometern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2008)

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