Nobelpreisträger Stiglitz: "Irregeleitete Geldpolitik der EZB"

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"Wir müssen EZB-Chef Trichet einen Dankesbrief schicken", meint der US-Ökonom. Der starke Euro habe praktisch die US-Wirtschaft gestützt, sagt Stiglitz.

Wirtschafts- Nobelpreisträger Joseph Stiglitz hat am Freitag Nachmittag im Rahmen einer Veranstaltung der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) die EZB heftig kritisiert. Die Europäische Zentralbank betreibe eine "irregeleitete Geldpolitik", indem sie den Euro stark halte. "Wir müssen Trichet einen Dankesbrief schicken", meinte der US-Ökonom ironisch an die Adresse von EZB-Chef Jean-Claude Trichet. Der starke Euro habe praktisch die US-Wirtschaft gestützt.

Stiglitz: "Müssen uns bei Europäern bedanken"

Die US-Banken hätten ihre "faulen Kredite" nach Europa "exportiert und liefere Europa nun den konjunkturellen Abschwung weiter. Die Europäer hätten etwa die Hälfte der faulen Hypothekarkredite gekauft, und dadurch in der aktuellen Finanzkrise den USA einen noch stärkeren konjunkturellen Absturz erspart. "Auch dafür müssen wir uns bedanken", konstatierte Stiglitz.

Der auch anwesende Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Mundell vermisst in Europa gemeinsame wirtschaftspolitische Institutionen. Europa sollte doch einen Finanzminister schaffen, am besten einen starken Mann oder eine starke Frau aus einem großen EU-Staat, wünscht sich der US-Ökonom. Die Fed und die EZB sollten ihre Politik koordinieren, um die großen Schwankungen zwischen den Weltwährungen Dollar und Euro zu minimieren, meinte Mundell.

Nowotny verteidigt EZB-Politik

Die Europäische Zentralbank (EZB) werde ihren Kurs der Sicherung der Preisstabilität nicht verlassen, erklärte hingegen EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny. Die EZB habe das politische Mandat, sich um den Kampf gegen Inflation zu kümmern, "und ich sehe derzeit keinen politischen Willen in Europa, diesen Auftrag zu ändern", sagte der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB).

Die US-Notenbank Fed habe dagegen einen breiteren Auftrag, nämlich die Wahrung von Preisstabilität, Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Daher könne die EZB nicht mit der Fed die Zinspolitik und die Wechselkurse Euro-Dollar abstimmen.

Leitl: "EZB wie eine isolierte Insel"

Kritik an der EZB kam heute auch wieder von Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Die Europäische Zentralbank schaue nur auf die Inflation und agiere "wie eine isolierte Insel", sagte Leitl. In Europa gebe es keine gemeinsame Wirtschaftspolitik, bedauerte der WKÖ-Chef. "Wir brauchen eine Vertiefung der EU, keine Erweiterung". Leitl hat immer wieder die EZB zu Zinssenkungen aufgefordert, um die Konjunktur anzukurbeln und die Exporte zu erleichtern.

(APA)

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