G7: Aktionsplan für marode Finanzmärkte

Bush und die Repräsentanten der führenden Industrienationen
Bush und die Repräsentanten der führenden Industrienationen(c) AP (Charles Dharapak)
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Die Finanzminister der wichtigsten Industrienationen beschließen eine verstärkte Koordination. Deutschland und die USA erwägen Verstaatlichungen von Banken.

WASHINGTON. Den Finanzmärkten war eine kleine Verschnaufpause vergönnt, nachdem der Dow-Jones-Index in einer der schwärzesten Wochen in der Geschichte der Wall Street in ungeahnte Tiefen stürzte. Stattdessen verlagerte sich am Wochenende das Geschehen ins politische Zentrum der Macht, zunächst nach Washington und später nach Paris, wo die Finanzminister der wichtigsten Industrienationen (G7) zu einer Krisensitzung zusammenkamen.

Von einer verstärkten Koordination und Kooperation sollte ein positives Signal für die gebeutelten Börsen ausgehen. Ohne lang herumzudeuteln, beschlossen sie einen Aktionsplan, um das Vertrauen in die Finanzwelt wiederherzustellen: Es ist ein Rettungsplan vor allem für gefährdete Banken. Er soll helfen, den Finanzkreislauf wieder in Schwung zu bringen und das aus den Fugen geratene System zu stabilisieren.

USA planen Verstaatlichungen

Die USA und auch Deutschland erwägen sogar eine Beteiligung an krisengeschüttelten Banken. Es seien „dringende und außergewöhnliche Maßnahmen“ vonnöten, heißt es in dem Kommunique. US-Finanzminister Henry Paulsen sprach von einem „aggressiven Plan“: „Nie war es wichtiger, gemeinsame Lösungen zu finden.“ Zugleich gebe es jedoch, wie er betonte, kein Allheilmittel, das für alle Volkswirtschaften gelten könne. Es sei naiv anzunehmen, dass unterschiedliche Staaten mit unterschiedlichen Entwicklungsstufen dieselben Instrumente anwenden könnten.

Für US-Finanzexperten fiel die Absichtserklärung der G-7-Minister indes zu vage aus. Einige kritisieren zudem, die Bush-Regierung hätte sich schon bei der Pleite der Investment-Bank Lehman Brothers massiver einschalten müssen, um die Krise im Keim zu ersticken und einen Domino-Effekt abzuwenden. Robert Zoellick, Chef der Weltbank, hatte zuvor harsche Kritik an der Runde geübt: „Die G7 funktionieren nicht.“ Und auch der deutsche Finanzminister plädiert für eine Ausweitung des Zirkels. In Washington waren denn auch führende Schwellenländer wie China, Indien oder Brasilien in die Beratungen eingebunden.

Wie dramatisch die Lage in den USA mittlerweile ist, belegt die Tatsache eines Fusionsplans der Autoriesen Chrysler und General Motors. Bisher ebenso ein Ding der Unmöglichkeit wie die staatliche Intervention der Bush-Regierung in Finanzinstitute, was jeglicher republikanischer Wirtschaftsideologie widerspricht.

Inzwischen haben Wirtschaftsforscher die Wachstumsprognose für die USA auf 0,1 Prozent heruntergeschraubt. Sie erwarten überdies einen signifikanten Anstieg der Arbeitslosigkeit. Vor diesem Hintergrund sind die Appelle an eine internationale Zusammenarbeit, an der Washington es aus Sicht der Europäer eklatant vermissen ließ, verständlich.

„Wir stecken gemeinsam drin, und wir werden gemeinsam wieder herauskommen“, erklärte US-Präsident George W. Bush. Im Rosengarten des Weißen Hauses scharte er die Finanzminister um sich, bemüht, gute Stimmung zu machen.

Bush-Appelle ohne Wirkung

Doch bisher verfehlte jeder seine Auftritte, zuletzt seine außerplanmäßige Erklärung am Freitag, die erhoffte Wirkung. Die Werte an der Wall Street gingen weiter nach unten. Nur bei einer Spendentour durch Florida erzielte der US-Präsident anschließend einen Erfolg: Er heimste zwei Mio. Dollar an Spenden für die traditionell finanzstarken Republikaner ein, die im Wahlkampf finanziell freilich bereits aus dem letzten Loch pfeifen.

In Gesprächen mit Vertrauten nimmt Bush angeblich schon den Vergleich mit den Anschlägen von 9/11 in den Mund, die seiner Präsidentschaft vor sieben Jahren die ersten Konturen gaben, um das Ausmaß der Krise zu skizzieren. Es nimmt sich wie eine unfreiwillige Ironie aus, dass nun just das Finanzzentrum New York den letzten Tage seiner Präsidentschaft den Stempel aufdrückt. Am Wochenende war die Politik am Wort. Mit Börsenbeginn am Montag wird sich zeigen, was die Worte wert waren.

AUF EINEN BLICK

Die USA und die führenden Industrienationen (G7) schmiedeten einen Fünf-Punkte-Plan.

Erstens: Wichtige Finanzinstitute sollen mit allen Mitteln unterstützt werden, um weitere Zusammenbrüche zu verhindern.

Zweitens: Die Kreditströme und der Geldmarkt muss in Bewegung bleiben.

Drittens: Banken sollen ausreichend Geld von der öffentlichen Hand erhalten, damit sie weiter Kredite an Private und Unternehmen vergeben können.

Viertens: Spareinlagen müssen sicher sein, um Vertrauen der Kleinanleger zu gewährleisten.

Fünftens: Der Markt für Hypothekenfinanzierung soll wieder angekurbelt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2008)

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