Nach Island nun Ungarn in Bedrängnis

Ferenc Gyurcsany
Ferenc Gyurcsany(c) EPA (Tibor Illyes)
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Von den Problemen der ungarischen Wirtschaft dürften österreichische Betriebe getroffen werden: Österreich ist drittgrößter Investor nach Deutschland und Holland.

Budapest(pbo/ag.). In der Finanzkrise ist nach Island nun auch Ungarn in Bedrängnis geraten. EU und Internationaler Währungsfonds (IWF) kündigten am Montag Unterstützung an. Möglicherweise wird Ungarn als erster europäischer Staat IWF-Kredite beantragen. Regierungschef Ferenc Gyurcsány betonte freilich, es handle sich vorerst nur um Gespräche, er hoffe, dass Ungarn diese Hilfe niemals in Anspruch nehmen muss.

Hintergrund ist die Schwäche der ungarischen Währung Forint. Sie hatte von Donnerstag auf Freitag rund zehn Prozent an Wert verloren und war auf ein Zweijahrestief abgestürzt, während Investoren Geld aus dem Land abzogen. Die ungarische Zentralbank musste stützend einspringen. Üblicherweise gewährt der IWF Hilfe unter Auflagen: Ungarn müsste sein Budgetdefizit in den Griff bekommen. Mit 5,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2007 hatte Ungarn das größte Haushaltsdefizit innerhalb der gesamten EU.

Finanzminister János Veres hat nun angekündigt, den Haushalt für 2009 neu zu schnüren, wobei Steuer- und Abgabensenkungen nicht mehr auf der Tagesordnung stünden. Eine geplante Steuerreform hätte Bürgern und Betrieben ab 2009 Entlastungen in Höhe von 150 Mrd. Forint (594 Mio. Euro) gebracht.

Der Finanzminister räumte auch ein, dass das Wirtschaftswachstum niedriger ausfallen werde als erwartet. Laut einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters, bei der 20 Experten befragt wurden, wird das ungarische Wirtschaftswachstum heuer bei zwei Prozent liegen. Betroffen von der Krise sind vor allem die Banken. Sie kommen auf den liquiditätsschwachen Finanzmärkten schwer zu Geld, auch von ihren ausländischen Mutterinstituten erhalten sie nichts mehr. So drehen sie den Betrieben den Geldhahn zu. Die Sorge wächst, dass die Betriebe nicht mehr investieren, was eine Rezession zur Folge hätte. Die Banken fürchten zudem, dass die Sparer massenhaft ihre Einlagen abziehen. Sie sind die einzig verbliebene Geldquelle der Banken.

Auf Initiative von Finanzminister Veres hat das Parlament gestern, Montag, beschlossen, die staatliche Garantie für private Spareinlagen bis sechs Mio. Forint (24.000 Euro) auf Guthaben bis 13 Mio. Forint auszuweiten. Was die Kreditvergabe an Unternehmen angeht, musste der Staat ebenfalls auf den Plan treten. So hat Wirtschaftsminister Gordon Bajnai ein 800 Mrd. Forint (3,2 Mrd. Euro) schweres Garantieprogramm verkündet, das bei der Kreditaufnahme von kleinen und mittelständischen Unternehmen eine staatlich garantierte Deckung bieten soll.

Hohe Zinsen für Sparer

Die Banken versuchen ihre finanziellen Engpässe damit zu kompensieren, dass sie den Sparern hochverzinsliche Sparangebote (bis zu elf Prozent) bei kurzer Laufzeit anbieten. Bei der Kreditvergabe an Privathaushalte werden die Banken über kurz oder lang gezwungen sein, aufgrund des höheren Risikos höhere Rückzahlungszinsen einzuführen.

Die Turbulenzen könnten auch auf die österreichische Wirtschaft Auswirkungen haben: Österreich ist hinter Deutschland und den Niederlanden drittgrößter Auslandsinvestor in Ungarn. Seit der Wende hat Österreich mehr als fünf Mrd. Euro in Ungarn investiert. Die österreichischen Banken dürften jedenfalls mit denselben Problemen wie die ungarischen Geldinstitute zu kämpfen haben. Auch die ungarischen Ableger von Raiffeisen und Erste Bank haben ihren Privatkunden hochverzinsliche Einlagemöglichkeiten für einen kurzen Zeitraum angeboten.

Auf einen Blick

Österreicher sind nach den Deutschen und Niederländern die drittstärksten Investoren in Ungarn. Das könnte sich angesichts der dortigen Wirtschaftsflaute rächen. Das Wachstum in Ungarn ist für osteuropäische Verhältnisse schwach: Für heuer rechnen Experten nur mit zwei Prozent.

Kredite sind für Unternehmen derzeit schwer zu bekommen. Das hemmt die Wirtschaft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2008)

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