Japan rutscht in die Rezession

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Japans Wirtschaftskraft ist im dritten Quartal um 0,4 Prozent gesunken. Die schwindende Nachfrage und der starke Yen treffen die Exporteure. Nun spürt das Land die Folgen der globalen Finanzkrise.

Tokio. Die sinkende Nachfrage auf den Exportmärkten, gedrosselte Investitionen und die signifikante Aufwertung des Yen haben die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt erstmals seit Dezember 2001 in die Krise gezogen. Japans Wirtschaftskraft ist im dritten Quartal um 0,4 Prozent gesunken. Bereits im zweiten Quartal war das Bruttoinlandsprodukt (auf Jahresbasis hochgerechnet) um 3,7 Prozent abgesackt. „Das zeigt, dass sich unsere Ökonomie in einer Phase der Rezession befindet“, räumte der Minister für Wirtschaft und Fiskalpolitik, Kaoru Yosano, ein.

Japan konnte sich bisher aus der globalen Finanzkrise weitgehend heraushalten. Nun spürt das Land die Folgen. Hiromichi Shirakawa, Chefvolkswirt bei Credit Suisse in Tokio, beklagt die „hohe Abhängigkeit von der Weltnachfrage“ als den wichtigsten Rezessionsfaktor für Japan. Damit schnappt eine Falle zu, die der frühere Vize-Finanzminister Eisuke Sakakibara „eine simultane Krise“ nennt.

Selbst Topkonzerne wie Toyota, Sony & Co. werden zur Geisel fremder Märkte. „Fast das gesamte Wachstum der zurückliegenden sechs Boomjahre wurde im Ausland erwirtschaftet, einige Konzerne verdienen dort bis zu 98 Prozent ihrer Gewinne“, errechnete Jesper Koll, Chef des Tantallon Research Institute in Tokio.

Doppelschlag für die Exporte

Dem Export droht ein Doppelschlag: Die globale Nachfrage nach japanischen Autos, Elektrogeräten oder Computern sinkt. Zugleich treibt das rapide Ende der globalen Börsenspekulation die Währungskurse des Yen rasant nach oben. Gegenüber dem Dollar stieg der Yen seit September um 15 Prozent, gegenüber dem Euro sogar um ein Drittel. Diese Aufwertung des Yen hat für Japans Exporteure brutale Auswirkungen. Die Exportindustrie wird so vom Konjunkturmotor zum Risiko. „Keine Volkswirtschaft hält so eine Blitzaufwertung aus“, warnt Eisuke Sakakibara, der vor zehn Jahren als „Mister Yen“ in der Regierung mit ähnlichen Währungsverwerfungen zu kämpfen hatte.

Besonders hart trifft es die Autoindustrie. Toyota zum Beispiel kostet jeder Yen, um den zum Dollar aufgewertet wird, über 400 Millionen Dollar Jahresgewinn. Anfang November wurde die aktuelle Jahresprognose um mehr als zwei Drittel gesenkt. Wenn Japans profitträchtigster Konzern schon so leidet, wie schlimm ist es dann um den Rest der Industrie bestellt? Das Konjunkturbarometer für den Maschinenbau meldet für das letzte Quartal einen Auftragsrückgang von 10,4 Prozent, so heftig wie seit zehn Jahren nicht mehr.

Unter diesen Umständen muss sich die Regierung von ihrem Konjunkturoptimismus verabschieden. Die bisherige Prognose geht von 1,3 Prozent realem Wachstum bis Ende des aktuellen Fiskaljahres am 31. März 2009 aus. Der IWF rechnet nun bereits mit minus 0,2 Prozent. Bis Jänner wird sich entscheiden, ob sich Japan dem Welttrend doch noch entziehen kann.

Hilfsversprechen ohne Konzept

Abgesehen von populistischen Hilfsversprechen reagiert die Regierung bisher eher konzeptlos. Regierungschef Taro Aso hat angesichts der De-facto-Nullzinspolitik der japanischen Notenbank keine andere Wahl als staatliche Konjunkturprogramme. Dafür nimmt er auch eine Erhöhung der ohnehin schon hohen öffentlichen Schulden in Kauf (siehe Grafik).

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Setzt sich Aso durch, soll im kommenden April jeder japanische Haushalt Bargeld oder Coupons im Wert von 550 Euro bekommen, mit dem Auftrag, das Geld rasch wieder auszugeben. Umgerechnet 16 Mrd. Euro wird diese Geste kosten. Mit weiteren knapp 220 Mrd. Euro, meist als Steuererleichterungen oder öffentliche Kreditgarantien, will Aso die Folgen für die Haushalte lindern. Dazu kommen fast 95 Mrd. Euro als Stütze für den Mittelstand.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2008)

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