Südkorea: Atom- und Wasserkraft für die „Energieinsel“

Nuclear Waste
Nuclear Waste(c) AP (AHN YOUNG-JOON)
  • Drucken

Über 80 Prozent der 49 Millionen Einwohner leben in Städten – und haben einen entsprechenden Energiekonsum. Das Land investiert 20 Mrd. Euro in die Unabhängigkeit vom Import fossiler Brennstoffe.

Seoul/Wien. Südkorea steuert auf einen energiepolitischen Engpass zu. Über 80 Prozent der 49 Millionen Einwohner leben in Städten – und haben einen entsprechenden Energiekonsum. Weltweit liegt das Land unter den ersten zwanzig Energieverbrauchern. Bis 2022 rechnet die Regierung in Seoul mit einem weiteren Anstieg des Stromverbrauchs um gut zwei Prozent jährlich.

Damit kommt die Halbinsel in ernste Schwierigkeiten, denn nennenswerte Energieressourcen gibt es im asiatischen Tigerstaat kaum. Schon heute kann das Land nur drei Prozent seines Energiebedarfs aus eigener Kraft decken. Wie viele andere Staaten ist Südkorea abhängig vom Import fossiler Brennstoffe. Im Vorjahr hat der fünftgrößte Importeur von Rohöl 107,6 Millionen Tonnen Öl verbraucht, das beinahe zur Gänze aus dem Ausland angeliefert werden musste. Im Land selbst gibt es nur geringere Vorkommen von Antrazithkohle, Wasser und Uran als mögliche Energiequellen.

Das will die Regierung in Seoul nun stärker nutzen und investiert 37 Billionen Won (20,3 Milliarden Euro) in den Ausbau der Kernenergie, um die Abhängigkeit von Rohöl zu vermindern. Seit dem Allzeithoch im Sommer, als der Ölpreis auf fast 150 Dollar geklettert ist, machen sich Staaten rund um den Globus Gedanken darüber, wie sie sich von den fossilen Energieträgern verabschieden können. Mittlerweile ist der Rohölpreis zwar schon wieder auf knapp 50 Dollar gesunken. „Der schwache Won macht den Preisverfall beim Öl aber wieder wett“, sagt Yun Hee Do, Analyst bei Korea Investment & Securities.

Abgeschnitten vom Rest der Welt

Eine großes Problem bei der Energieversorgung für Südkorea ist seine geografische Lage. Als Halbinsel grenzt das Land lediglich an Nordkorea. Die anhaltenden Spannungen zwischen den Ländern erschweren jedoch einen geregelten Transport von Rohstoffen. Auch ein geplantes Projekt Südkoreas mit der russischen Gazprom könnte die politische Lage zu Fall bringen. Ab 2015 wollte sich Südkorea zehn Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas durch eine Pipeline liefern lassen, die durch den Nachbarstaat verlaufen sollte. Sollte Nordkorea nicht zustimmen, müsste Südkorea weiterhin auf den teuren Seeweg zurückgreifen. Im Vorjahr importierte die staatliche Korea Gas Corp., der drittgrößte Gasimporteur der Welt, 25,5 Millionen Tonnen Flüssiggas.

Größtes Gezeitenkraftwerk der Welt

Einen Schritt Richtung Unabhängigkeit will Asiens viertgrößte Volkswirtschaft nun über den Ausbau der Kernenergie machen. Zwanzig AKW mit einer Leistung von 17,5 Gigawatt gibt es bereits im Land. Bis 2022 sollen nun zwölf weitere Kernkraftwerke sowie etliche Kohle- und Gaskraftwerke entstehen, die Energieproduktion soll damit von derzeit 65,9 Gigawatt auf 100,9 Gigawatt steigen. Knapp die Hälfte soll von den AKW kommen. 2007 waren es 34 Prozent. Alternativenergie deckt derzeit nur 2,2 Prozent des Stromverbrauchs. Hier will die Regierung 100 Billionen Won investieren, um den Anteil bis 2030 auf elf Prozent zu schrauben. Derzeit entsteht im Land das größte Gezeitenkraftwerk der Welt – es soll Strom für 500.000 Einwohner liefern.

AUF EINEN BLICK

Südkorea investiert 20,3 Mrd. Euro in den Ausbau neuer Kern- und Gaskraftwerke. Damit soll die Abhängigkeit von teuren Rohölimporten verringert werden.

Das asiatische Land ist der fünftgrößte Rohölimporteur der Welt und fast zur Gänze auf ausländische Energievorkommen angewiesen. Lediglich drei Prozent des Energieverbrauchs kann Südkorea aus eigener Kraft decken.

Bis 2022 sollen nun zwölf weitere AKW gebaut werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.