Norwegens Elektroautos: Ohne Geld kein Strom

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Dem E-Mobil-Projekt „Think“ droht das Ende – so wie schon manchen früheren Hoffnungsträgern. Rund 30 Mio. Euro werden benötigt um den Konkurs noch abzuwenden.

Oslo. Sie sollten die Antwort auf die Auto-, Klima- und Energiekrise sein: kleine, saubere und sparsame Fahrzeuge wie das in Norwegen produzierte Elektroauto „Think“. Doch nun bedroht die Finanzkrise den umweltfreundlichen Kleinstwagen genauso wie die Benzinschlucker der US-Konzerne. „Think“ braucht schleunigst neues Kapital. Wenn die benötigte Summe von umgerechnet 30 Mio. Euro auch Peanuts ist im Vergleich zu den Milliarden, die GM oder Chrysler benötigen, so sind die Folgen doch dieselben: Ohne Geld droht der Konkurs.

Kein Geld von der Regierung

Bis Jahreswechsel hat das Unternehmen seine 200 Beschäftigen in Zwangsurlaub geschickt, dann will man die Produktion mit den Einzelteilen wieder anfahren, die man noch auf Lager hat. Die reichen für einen Monat. Dann muss neues Geld in der Kasse sein. Norwegens Regierung hat die Bitte um eine Finanzspritze bislang abschlägig beschieden, und auch die bisherigen Investoren sind skeptisch. Schließlich haben sie erst im November 127 Mio. Kronen (13 Mio. Euro) zugeschossen, um den Betrieb, der 2007 16 Mio. Kronen Umsatz, aber 161 Mio. Defizit verbuchte, über Wasser zu halten. Der Großindustrielle Petter Stordalen meint, er habe geopfert, was er opfern wollte, „nicht um Geld zu verdienen, sondern weil mir die Idee gefiel“. Der steinreiche Warenhausbesitzer Stein Erik Hansen ist bereit, seinen Anteil von sechs Prozent zu verdoppeln, aber nur, wenn andere Geldgeber mitziehen. Noch hat sich keiner gemeldet.

Eine Pleite wäre nicht die erste für Norwegens Stromauto-Abenteuer. Das 1990 unter dem Namen „Pivco“ gegründete Unternehmen hatte eine Viertelmilliarde Kronen verpulvert, als es acht Jahre später erstmals zahlungsunfähig wurde. Doch Ford glaubte an die Geschäftsidee und übernahm die Reste. Bis 2003 investierte der US-Riese mehr als eine Mrd. Kronen in die Entwicklung des Stadtautos „Think City“, doch lange, ehe der Prototyp aus der Fabrik in Aurskog rollte, hatten die Amerikaner genug und gaben den Betrieb für den symbolischen Preis von einer Krone wieder ab. Sie schickten gar noch 125 Mio. Kronen als Mitgift hinterher, um einen neuen Konkurs zu verhindern. Der kam dennoch, im Februar 2007. Mit neuen Investoren kam „Think“ nochmals auf die Beine, und jetzt glaubten die Norweger ernsthaft an goldene Zeiten für ihr Steckdosenmodell. Die damalige Himmelflucht der Benzinpreise, die Klimasorgen, die im Autoverkehr erstickenden Großstädte: All das schien für die wendigen, umweltfreundlichen Alternativen zu sprechen.

Auf den Automessen präsentierte sich „Think City“ als das Zukunftsauto, obwohl bisher nur rund tausend Vorläufermodelle durch Oslo rollen. Aus Schweden kamen entlassene Volvo- und Saab-Arbeiter über die Grenze, um beim norwegischen Herausforderer anzuheuern. „Wir haben drei Jahre Vorsprung gegenüber unseren Konkurrenten“, brüstete sich der neue Konzernchef Richard Canny, der im Oktober von Ford gekommen war. Mit einer Spitzengeschwindigkeit von 100 km/h und einer Reichweite von 170 Kilometern, ehe die Batterie aufgeladen werden muss, ist der City für den Nahverkehr bestens gerüstet, und dass er in Oslo die Busspur benützen darf, gibt ihm in Stoßzeiten einen Vorsprung gegenüber weit stärker motorisierten Wagen.

„Ende 2009 sind wir rentabel“

Billig ist das Elektroauto nicht, in Norwegen muss man mehr als 20.000 Euro für den Zweisitzer mit 30-Kilowatt-Motor berappen, hinzu kommt noch die Batteriemiete von rund 200 Euro pro Monat. Darin ist die Versicherung eingeschlossen und der lebenslange Umtausch leerer Batterien. Dafür gibt es „null Emissionen“ und ein rostfreies Plastikgehäuse, das alle Sicherheitstests bestanden hat.

Die Tagesproduktion von nur zehn Modellen sollte im Frühjahr auf 22 hochgefahren und im Sommer verdoppelt werden, sodass die Firma für 2009 eine Produktion von 10.000 Stück anstrebte. „Ende 2009 sind wir rentabel“, versprach Canny, als er seinen Posten antrat. Nur zwei Monate später ist er mit dem Hut in der Hand auf der Suche nach neuen Investoren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.