Der Strom kommt nicht aus der Steckdose, sondern vom Parkplatz

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Elektroautos sollen den Strom aus erneuerbaren Quellen speichern.

wien. Hunderttausende Elektroautos parken in den Straßen der Städte. Auf den Autodächern und auf sämtlichen Häusern sind Solarzellen montiert, die am Tag ununterbrochen Strom produzieren. Zusätzlich speisen Windparks, Biomasse- und Wasserkraftwerke Strom in das Netz ein. Gespeichert wird der überschüssige Strom in den Batterien der parkenden Autos, von wo er bei Bedarf – beispielsweise am Abend – wieder in das Netz zurückfließt. Eine zentrale Steuerung dieses Systems gibt es nicht. Es regelt sich, ähnlich dem Internet, durch viele dezentrale Systeme von selbst. So sieht die Vision vieler Energieexperten für die Zeit nach Öl, Gas und Kohle aus.

Viele dezentrale Kraftwerke

Bis dieses Szenario wahr wird, werden Jahrzehnte vergehen. Einerseits haben die Alternativen noch nicht die Kapazität, um fossile Energiequellen großflächig zu ersetzen. Andererseits bringt die Nutzung von alternativen Energiequellen auch eine Reihe von neuen Problemen mit sich. So muss die produzierte Energie zu ihren Verbrauchern gebracht werden. Und anders als bei fossiler Energie, aus der in zentralen Großkraftwerken in der Nähe der Ballungszentren Strom und Wärme produziert werden kann, erfolgt die Stromproduktion beispielsweise bei Windkraft meist in abgelegenen Regionen oder sogar abseits der Küsten im Meer. Auch der Transport von Biomasse ist wesentlich aufwendiger und teurer, als Öl oder Gas durch eine Pipeline zu schicken, weshalb auch diese Anlagen vornehmlich klein und dezentral in landwirtschaftlich genutzten Gebieten errichtet werden.

Der Transport der Energie wird dem Stromnetz überlassen, das so vor neue Herausforderungen gestellt ist. Denn die meisten alternativen Energiequellen haben eine unangenehme Eigenschaft – sie sind nicht immer verfügbar. So können Solarzellen nur dann Strom produzieren, wenn viel Sonne scheint. Und Windräder können nur dann etwas ins Netz einspeisen, wenn genügend Wind bläst. Daher benötigt man für alternative Energiequellen eine sogenannte Ausgleichsenergie. Diese springt ein, wenn zu viele Wolken am Himmel sind oder Windstille herrscht. Heutzutage sind das meist Pumpspeicherkraftwerke in den Alpen oder Gaskraftwerke. Für die Netze bedeutet all dies eine zusätzliche Belastung. Denn der plötzliche Ausfall eines Kraftwerks, das durch ein anderes ersetzt werden muss, führt zu starken Schwankungen in der Netzspannung. Ist diese Schwankung zu groß, kann das Netz zusammenbrechen und ein großflächiger Blackout die Folge sein. Laut Experten ist dies eine der größten Gefahren auf dem Weg zur alternativen Energieversorgung.

Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, müssen die Netze ausgebaut werden. Das stößt allerdings häufig auf Widerstand in der Bevölkerung. Zudem sollen auch sogenannte virtuelle Kraftwerke entstehen. Dabei werden beispielsweise Windräder im Burgenland mit Kleinwasserkraftwerken in Tirol und Biomasseanlagen in Oberösterreich virtuell zusammengeschlossen. Die Kraftwerke sind über das Internet miteinander verbunden und gleichen Änderungen in der Produktion untereinander sofort aus. Wenn der Wind im Burgenland nachlässt, liefert das Biomassekraftwerk kontinuierlich mehr Strom ins Netz. So werden die gefährlichen Spannungsschwankungen vermieden. Das Stromnetz wird zum intelligenten Netz (Smart-Grid) – quasi zu einem Elektrizitätsinternet.

Elektrisch in die Arbeit fahren

Die Zukunft der Energieversorgung wird laut dieser Vision vor allem die Mobilität völlig auf den Kopf stellen. In den Städten verkehren nur noch kleine, zweisitzige Elektroautos. Sie schaffen problemlos die täglichen Fahrten von bis zu 100 Kilometern, ohne aufgeladen zu werden. Unsere heutigen Autodinosaurier wird man dann allenfalls über Car-Sharing-Modell mieten, um damit längere Strecken mit viel Gepäck zurückzulegen.

Die Elektroautos der Zukunft werden jedoch nicht nur als Fortbewegungsmittel dienen. Stellen abgestellte Autos in den Städten heutzutage vor allem ein Platzproblem dar, so wird das geparkte Elektroauto zum Energiespeicher. Untertags, wenn die großflächigen Solaranlagen einen Stromüberschuss produzieren, werden die Akkumulatoren der Autos ständig geladen. Am Abend, wenn der Strombedarf hoch und die Sonne bereits untergegangen ist, fließt die Energie wieder zurück ins Stromnetz und füttert Fernsehapparate, Kühlschränke und Verkehrsampeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2009)

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