Hypo Real Estate: 600 Milliarden Euro Kredite außerhalb der Bilanz

Hypo Real Estate
Hypo Real Estate(c) AP (Michael Probst)
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Die HRE sitzt auf offenen Krediten, die nicht in der Bilanz aufscheinen. US-Investor J.C. Flowers bremst die Verstaatlichung. Er verlangt drei Euro je Aktie - soviel sei aber "das ganze Unternehmen nicht wert".

Beim angeschlagenen deutschen Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) sind nach einem Zeitungsbericht Geschäfte in Milliarden-Höhe getätigt worden, die nicht in der Bilanz auftauchen. Diese seien zum Teil hochspekulativ gewesen, berichtet die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" (Freitag).

600 "heimliche" Milliarden

In der Bilanz ist ein Umsatz von 400 Milliarden Euro ausgewiesen. Weitere 600 Milliarden an Krediten wurden jedoch außerhalb der Bilanz vergeben. Jochen-Konrad Fromme (CDU), der dem parlamentarischen Kontrollgremium des Bankenrettungsfonds SoFFin angehört, kann aber etwas beruhigen. Zwar fehle noch der Überblick, wie genau diese enorme Summe zustande kam und vor allem an wen die Gelder verliehen wurden. Der Haushaltsexperte gibt aber an, dass es sich im Kern nicht um faule Kredite handle. Großteils wurden seriöse Projekte wie Hochhäuser finanziert.

Außerbilanzielle Geschäfte

Nicht in der Bilanz erfasste Geschäfte von Banken werden in Deutschland vom Kreditwesengesetz erfasst. Das sind zum Beispiel bestimmte Derivate und Swaps (Kredittauschgeschäfte), da sie als schwebende Geschäfte nicht bilanzierungsfähig sind.

Rückzahlung läuft, Refinanzierung stockt

Die Kredite würden "seriös bedient", also wie vereinbart zurückbezahlt. Das Problem bleibt aber die Refinanzierung - die Hypo Real Estate muss selbst mehr Zinsen für das Geld am Markt bezahlen, als sie für die Kredite bekommt. Das liegt am grundsätzlichen Geschäftsmodell der HRE: Sie verborgt Geld langfristig und holt es sich selbst am Geldmarkt. Das hat wunderbar funktioniert, solange die Zinsen z.B. für kurzfristige Anleihen niedriger waren als die für langfristige Kredite erzielten.

HRE: Derivate reduzieren Risiken

Die Hypor Real Estate reagierte in einer Aussendung auf den Sachverhalt: Die Derivate mit einem Nennwert von rund einer Billion Euro würden zur Absicherung der Bank gegen Zins- und Währungsschwankungen dienen. Das sei bei Banken üblich. In der Bilanz wäre aber der Marktwert der Derivate erfasst.

Derivate

Derivate sind Kauf/Verkaufsrechte und damit Termingeschäfte. Mit einem Derivat (z.B. Optionsschein, Future) kauft man das Recht, ein gewisses Wertpapier zu einem festgelegten Zeitpunkt zu einem bestimmten Preis zu kaufen oder zu verkaufen.

Ein einfaches Beispiel:
Die Aktie X kostet heute 15 Euro. Man kauft die Option, diese Aktie in zwei Monaten um 18 zu verkaufen. Die Option kostet einen Euro.
Zwei Monate vergehen, die Aktie steht noch immer bei 15 Euro. Nun kommt die Option zu tragen: Man verkauft sie wie ausgemacht um 18 Euro und hat damit zwei Euro verdient.
Verkauf um 18 minus 1 für Option minus 15 für Aktienkauf = Zwei Euro Gewinn.

Investor bremst Verstaatlichung

Am Mittwoch hatte die deutsche Bundesregierung das umstrittene "Rettungsübernahmegesetz" auf den Weg gebracht, mit dem erstmals in der bundesdeutschen Geschichte Banken notfalls auch verstaatlicht und deren Eigentümer enteignet werden können. Zunächst will sich der Bund über Kapitalmaßnahmen die Mehrheit an der HRE sichern.

Doch dieser "normalen" Verstaatlichung steht der US-Finanzinvestor J.C. Flowers im Weg. Er hält 25 Prozent an der HRE, die er zu 22,50 Euro je Aktie erworben hat. Er fordert für seine Papiere 2,97 Euro pro Stück - jener Kurs, der vor dem Aufkommen der Verstaatlichungsgerüchte am 8. Jänner gegolten hat, berichtet die "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Er würde dadurch knapp eine Milliarde Euro verlieren.

Flowers will bleiben

Flowers betonte aber, er wolle seine HRE-Anteile nicht um jeden Preis verkaufen: "Unsere Präferenz ist, unser Engagement bei der Hypo Real Estate weiterzuführen." Der deutschen Regierung bot er Gespräche über die Zukunft der überschuldeten Bank an. In einem Schreiben an die Staatssekretäre der beteiligten Ministerien in Berlin und an den Chef des Bankenrettungsfonds SoFFin zeigte sich Flowers laut "FAZ" aber verwundert darüber, dass die Regierung keine weiteren Gesprächstermine mehr angeboten habe. "Enttäuscht sind wir aber vor allem über den Umstand, dass keine alternativen Szenarien zur Diskussion gestellt und auch keine Termine für weitere Gespräche angeboten wurden", schrieb Flowers demnach.

"Unternehmen keine drei Euro wert"

An den Börsen hält man die geforderten knapp drei Euro pro Aktie für fernab jeder Realität. "Es ist mehr als klar, dass das ganze Unternehmen keine drei Euro mehr wert ist, geschweige denn drei Euro je Aktie", meinte ein Händler gegenüber der ARD.

"Wir stecken in höllischen Verträgen"

"Vor einem Jahr hätte ich mir nicht vorstellen können, dass wir es mit einer solchen Dimension zu tun bekommen könnten", sagte Fromme. Wenn der Staat nicht umgehend in das Münchener Geldinstitut einsteige, könnten die Folgen für den internationalen Finanzmarkt schlimmer sein als beim Zusammenbruch der New Yorker Investmentbank Lehman Brothers. "Wir stecken in höllischen Verträgen", so Fromme.

Die HRE hat bereits 102 Milliarden Euro an Garantien und Kapital erhalten. 

(Ag./Red.)

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