Ölpreis: Die Welt „ertrinkt“ in Erdöl

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Eine schwache Weltwirtschaft, der US-Schieferölboom und Saudiarabien, das Marktanteile halten will, sorgen für ein Ölüberangebot. Die Opec wird daher schon unruhig.

Wien. Japan rutschte im dritten Quartal in eine Rezession. Viel mehr als diese Nachricht hatten die globalen Ölmärkte am Montagmorgen nicht gebraucht, um weiter in die schon seit Wochen anhaltende Preisdepression zu verfallen: Die globale Referenzölsorte Brent gab neuerlich um knapp zwei Prozent nach und notierte mit rund 77Dollar je Fass (159 Liter) auf dem tiefsten Stand seit Herbst 2010.

Doch die japanische Rezession – die in der Regel mit einem Rückgang der Ölnachfrage einhergeht – ist nur der jüngste Baustein in einer Reihe von Gründen, wegen derer der Ölpreis seit acht Wochen konstant zurückgeht. Konkret sind es vor allem drei Faktoren, die den Ölpreis nach unten drücken: Erstens steht die globale Weltwirtschaft immer noch auf äußerst schwachen Beinen. Erst jüngst wurden etwa die Wachstumsaussichten für Europa vom Internationalen Währungsfonds nach unten revidiert. Und auch China, seit Jahren der große Treiber bei der globalen Ölnachfrage, hechelt zuletzt den eigenen Wachstumserwartungen hinterher. Hinzu kommt, dass aufgrund des Kampfs gegen den Klimawandel der CO2-Ausstoß relativ zur Wirtschaftsleistung in vielen Ländern sinkt. Und ein sinkender CO2-Ausstoß bedeutet naturgemäß einen geringeren Verbrauch von fossilen Energieträgern – wie Erdöl.

Erster Ölexport aus USA seit Jahren

Aber nicht nur die schwache Nachfrage drückt auf den Ölpreis. Auch auf der anderen Seite des Handelstisches gibt es Veränderungen, durch die das schwarze Gold weniger kostbar wird. Bestimmender Faktor ist hier vor allem der Schieferölboom („light tight oil“) in den USA. Durch ihn haben die Amerikaner nicht nur ihre zuvor seit Jahren sinkende Ölproduktion im Jahr 2009 wieder zum Steigen gebracht, sie sind auch auf dem besten Weg, Saudiarabien dauerhaft als weltgrößten Ölproduzenten abzulösen. Wie entscheidend die US-Produktion inzwischen ist, sieht man an den jüngsten Zahlen der Internationalen Energieagentur: Demnach war die globale Produktion im September um 2,8 Millionen Fass pro Tag höher als noch vor einem Jahr. 2,1Millionen Fass davon stammen aus Nicht-Opec-Ländern, etwa den USA.

Von diesem rasanten Anstieg der US-Produktion profitiert inzwischen aber nicht mehr nur die amerikanische Wirtschaft selbst. So brachte kürzlich erstmals seit zehn Jahren ein Tanker in den USA (Alaska) gefördertes Öl ins Ausland. Diese Entwicklung sorgte in der saudiarabischen Hauptstadt, Riad, für zunehmende Ängste vor einem Verlust von Marktanteilen. Und daher reagierten die Saudis mit einem überraschenden Schritt. Entgegen ihren Ankündigungen senkten sie die eigene Produktion im September nicht. Darüber hinaus reduzierten sie aber auch ihre Preise deutlich. Zuerst nur in Asien, Anfang November aber auch in den USA. Beobachter interpretieren dieses Vorgehen als Attacke auf die US-Schieferölindustrie. Diese hat deutlich höhere Produktionskosten als Saudiarabien. Drücken die Saudis den Preis, können sie den amerikanischen Firmen wirtschaftliche Probleme bereiten.

Doch wie errechnet sich eigentlich der Ölpreis? Zuerst muss bei dieser Frage festgestellt werden, dass es nicht einen Preis gibt. Je nach Region gibt es eine Vielzahl chemisch unterschiedlicher Sorten mit eigenen Preisen. Als globale Referenzsorte hat sich in den vergangenen Jahren jedoch das Nordseeöl Brent herauskristallisiert. Brent wird aber, wie bei Öl üblich, nicht an einer Börse gehandelt, sondern in direkten Verträgen zwischen Käufern und Verkäufern, weshalb es keinen transparenten Preis gibt.

System ist missbrauchsanfällig

Ermittelt wird der Preis daher von Informationsdienstleistern wie Platts. Diese rufen jeden Tag alle relevanten Ölhändler und -konzerne an und erfragen die Details der jüngsten Kontrakte. Rund 90 Unternehmen liefern dabei ihre Daten, aus denen Platts den Preis berechnet. Dieses System ist allerdings missbrauchsanfällig. Die EU-Kommission startete deshalb im Vorjahr Ermittlungen gegen mehrere Ölkonzerne, weil sie sie verdächtigt hatte, die Preise nach oben manipuliert zu haben.

Anders ist dies beim Ölkartell Opec, das ganz offen den Preis zum eigenen Vorteil beeinflussen will. Bisher scheiterte ein Einbremsen des Preisverfalls durch die Undiszipliniertheit der Mitglieder, sich an die ausgemachten Quoten zu halten, und das jüngste Ausscheren Saudiarabiens. Nun dürfte der Druck, die Fördermenge zu kürzen, aber wieder groß sein. Die entscheidende Opec-Sitzung dazu findet am 27.November in Wien statt.

AUF EINEN BLICK

Der Ölpreis (globale Referenzsorte Brent) ist seit acht Wochen im Fallen begriffen. Dies ist der längste Rückgang seit Einführung der Referenzsorte im Jahr 1988. Grund dafür ist einerseits die weiterhin schwache Weltwirtschaft und andererseits ein Überangebot an Öl. Dieses entstand durch die massive Ausweitung der US-Produktion an Schieferöl in den vergangenen Jahren. Zudem reagierte der wichtige Produzent Saudiarabien nicht mit Förderkürzungen, sondern senkte die Preise, um Marktanteile zu halten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2014)

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