Snapchat mischt Geldgeschäfte auf

(c) REUTERS (LUCY NICHOLSON)
  • Drucken

Das erst drei Jahre alte US-Start-up steigt mit Snapcash in den milliardenschweren Markt für Bezahldienste ein und will die Branchengrößen konkurrenzieren.

San Francisco. Mit Bildern, die binnen weniger Sekunden – zumindest offiziell – wieder vom Smartphone-Schirm verschwinden, hat der erst vor drei Jahren gegründete Fotodienst Snapchat eine Senkrechtentwicklung hingelegt. Gut 100 Millionen Menschen, vor allem Jugendliche, nutzen die von Bobby Murphy und Evan Spiegel entwickelte Handy-App, um Bilder und Videos zu verschicken. Wobei die Vergänglichkeit zu einem „Sexting“-Boom geführt hat – das Verschicken nicht gerade jugendfreier Bilder.

Auch hierzulande fliegt die Jugend, für die Facebook zum Teil schon wieder out ist, auf die neue Foto-App: Einer Studie des Instituts für Jugendkulturforschung zufolge nutzen in Österreich rund 20 Prozent der 14- bis 29-Jährigen Snapchat. Auf das neueste spektakuläre Service müssen die Österreicher zwar noch warten – aber in den USA wurde es soeben lanciert: In Zusammenarbeit mit dem Bezahldienst Square kann über die App auch Geld überwiesen werden.

Apple, Google und Facebook

Mit Snapcash steigt das Start-up, dessen Wert inzwischen auf zehn Mrd. Dollar geschätzt wird, in den heiß umkämpften Markt der mobilen Bezahldienste ein. Neben der Paypal-Tochter Venmo sind auch Google (Wallet) und Facebook dabei, eigene Bezahlsysteme aufzubauen. Square ist momentan vor allem Konkurrent von Paypal, das von eBay abgespaltet wurde, um 2015 an die Börse gebracht zu werden, und von ApplePay. Auch der Börseneuling Alibaba hat mit Alipay ein eigenes System im Köcher. Letztere werden hauptsächlich von Geschäftskunden und Händlern genutzt, die so auch hohe Kreditkartengebühren umgehen können.

Auf Snapcash dürften hingegen vor allem Jugendliche und Studenten aufspringen, denen Banken suspekt sind und Bargeld altmodisch erscheint. Zumal es ganz einfach funktioniert – zu einfach, sagen Sicherheitsexperten: Dazu muss ein Nutzer lediglich die Funktion freischalten und seine Kreditkarteninformationen eingeben. Dann genügt es, in einem Chat ein Dollarzeichen einzutippen, den Betrag zuzufügen und die Überweisung per Knopfdruck vorzunehmen. Eine zusätzliche App wie bei Venmo ist nicht erforderlich.

Auch wenn das Unternehmen selbst beteuert, dass auf seinen Servern keine Kontoinformationen landen, sondern nur bei Square, und die App daher „unglaublich sicher“ sei, bestehen Bedenken. Nicht zu Unrecht: Zu Jahresbeginn knackten Hacker 4,6 Millionen Nutzerdaten – Snapchat hatte angeblich die Lücke gekannt, aber nicht reagiert. Im Oktober kam ein Datenvolumen von 13 Gigabyte mit privaten (Nackt-)Fotos in Umlauf. Sie sollen über eine andere App geklaut worden sein.

Neuer Kanal für Pornos

Bedenken gibt es allerdings auch aus einem anderen Grund: Längst kursieren nicht nur private Pikanterien auf der App. Es gilt als offenes Geheimnis, dass auf Snapchat pornografische Inhalte florieren, schreibt die „Zeit“. Wobei die Grenzen zur Illegalität grau sind.

Zusammen mit Snapcash könnte die Platform daher Porno-Anbietern neue Möglichkeiten eröffnen. Immer mehr sogenannte Camgirls, die bisher auf Webcam-Seiten aktiv sind, entdeckten Snapchat für sich, berichtet die „Zeit“: Für einen fixen Betrag verschicken sie eine bestimmte Zahl Bilder oder Videos pro Tag an Käufer. Bisher mussten diese vorab auf eine andere Art zahlen. Mit Snapcash könnte sich das ändern. Allerdings könnten genau diese Nutzer abgeschreckt werden. Denn die Verknüpfung mit einer Kreditkarte sorgt für eine noch persönlichere Identifizierung. Womit es mit der Anonymität vorbei ist. (DPA/eid)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.