Seltene Erden: Pekings überschätzter Schatz

Mine in China
Mine in China(c) imago stock&people (imago stock&people)
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Jahrelang hat China den Export seltener Erden scharf kontrolliert. Damit ist es nun vorbei. Warum das Land den einst so streng gehüteten Schatz plötzlich aufgibt.

Wien. China hebt die Exportbeschränkungen für seltene Erden auf. Mit dieser Mitteilung in den staatlichen Medien sorgte die Volksrepublik zum Jahresbeginn für eine Überraschung. Schließlich hatte das Regime bis dahin alles darangesetzt, die Ausfuhr jener 17 Metalle, ohne die kein Smartphone, kein Fernseher und kein Elektroauto gebaut werden könnte, so schwer wie möglich zu machen. Ein Marktanteil von zwischenzeitlich 97 Prozent verlieh dem Land ein Gefühl der Übermacht – und genau so handelte es auch. China wusste, dass die Elektronikhersteller aus dem Westen und Japan auf seine Lieferungen angewiesen waren. Über Exportquoten trieb es die Preise für die Metalle nach oben. Doch China wollte aus seinem Quasimonopol nicht nur finanziellen Profit schlagen, es setzte die Quoten auch als Druckmittel ein, um den Abnehmern ein Stück ihres Innovationsvorsprungs abzuluchsen.

Warum gibt Peking diesen Schatz nun so einfach aus der Hand? Die offizielle Erklärung ist so simpel wie erklärungsbedürftig: Die Welthandelsorganisation WTO hat im März entschieden, dass die Exportquoten unzulässig seien, und Peking halte sich daran, so die Regierung. Das allein dürfte es aber nicht gewesen sein. Denn noch im Dezember 2014 wollte die Staatsführung nichts von einem Ende der Exportquoten wissen. Zudem zeigt sie sonst wenig Hemmungen, die Regeln des Freihandels nach eigenem Gutdünken umzudeuten. Auch die Vermutung, dass die Quoten von einer Steuer ersetzt würden, ist nur ein Teil der Erklärung.

Der Rest der Welt hat große Reserven

Das wahrscheinlichste Motiv ist reichlich pragmatisch: Chinas Schatz ist nicht so viel wert, wie alle immer gedacht haben. Tatsächlich sind die seltenen Erden nicht so selten, wie es ihr Name vermuten lässt. Neodym etwa ist häufiger zu finden als Blei. Thulium, das seltenste Metall der Gruppe, kommt häufiger vor als Gold. Und auch geografisch hat China kein sonderliches Monopol gepachtet.

Im Gegenteil: Die meisten seltenen Erden liegen außerhalb der Volksrepublik. Der Rest der Welt hat nur aufgehört, nach ihnen zu schürfen. Denn der Abbau ist ökologisch bedenklich und hinterlässt (oft radioaktiven) Giftmüll. Als China vor zwei Dekaden begann, billigst seltene Erden auf den Markt zu werfen, zogen sich die anderen Staaten dankend aus dem schmutzigen Geschäft zurück.

Die künstlich überhöhten Preise der vergangenen Jahre haben jedoch viele alte Konkurrenten wieder auf den Plan gerufen. Staaten wie die USA, Australien, Grönland, Brasilien, Russland und Indien wissen, dass sie auf großen Lagerstätten sitzen, und arbeiten daran, ihre Rohstoffe selbst zu bergen. In der kalifornischen Wüste wurde ein stillgelegtes Bergwerk reanimiert, in Malaysia entstanden neue Werke, um seltene Erden aus Australien zu verarbeiten. Auch das Recycling von Elektroschrott gewann an Bedeutung.

Die Nachfrage sinkt gewaltig

Bis zur Ablöse des Monopolisten ist es dennoch ein weiter Weg, da viele Projekte im Westen nicht sonderlich rentabel sind. Trotzdem ist Chinas Produktionsanteil bereits auf 85 Prozent gesunken.

Zugleich geht die Nachfrage nach seltenen Erden zurück. Viele Hersteller haben alternative Rohstoffe gefunden, mit denen sie die 17 Metalle teilweise ersetzen können. Die Nachfrage ist so gering, dass China seine eigenen Ausfuhrbeschränkungen nicht einmal mehr voll ausschöpfen konnte. 31.000 Tonnen genehmigte Peking zuletzt für den Export. Verkauft hat das Land 2013 nur 22.493 Tonnen. 2014 waren es bis November 24.886 Tonnen. Verdienen konnte China damit aber ein Drittel weniger als 2013.

Der Schatz wird also zunehmend wertlos. Für Peking lohnt es sich nicht mehr, ihn zu verteidigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2015)

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