Soll die EZB jetzt auch Staatsanleihen kaufen?

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Die EZB will am Donnerstag über neue Maßnahmen entscheiden. Aber was soll sie tun? Und gibt es "Deflationsgefahr" wirklich? "Die Presse" hat drei Ökonomen befragt.

Wien/Frankfurt. Der Donnerstag wird der Tag der Entscheidung. Die EZB-Spitze wird in Frankfurt entscheiden, wie und in welchem Umfang sie neues Geld in die Märkte pumpen will. Im Zentrum der Debatte steht die Frage, ob die EZB im großen Stil Staatsanleihen kaufen soll, wie es die US-Notenbank Federal Reserve, die Bank of England und vor allem die Bank of Japan längst tun – bzw. getan haben. Deutschland und andere Hartwährungsländer sind strikt dagegen, weil die „Staatsfinanzierung durch die Notenpresse“ der EZB eigentlich verboten ist.

Die Südländer halten dagegen. Solange die EZB nur auf dem „Sekundärmarkt“ kauft – also Staaten nicht direkt finanziert, sondern die Anleihen von Banken übernimmt – sei dies legal. Gestützt wird diese Annahme scheinbar durch eine Vorentscheidung des Europäischen Gerichtshofes von vergangener Woche, demzufolge Staatsanleihenkäufe durch die EZB nicht per se illegal wären.

Zehn Fragen, dreißig Antworten

Dabei herrscht innerhalb der Notenbank noch nicht einmal Einigkeit darüber, was mit der Geldpolitik überhaupt erzielt werden soll. Während die einen auf die drohende Deflation hinweisen, sehen andere nur eine kurzfristig niedrigere Inflation, die auf die fallenden Energiepreise zurückzuführen sei.

Was die „Märkte“ erwarten, ist klar. Seit Monaten wird das europäische Quantitative Easing von Bankanalysten und den Wall-Street-Medien herbeigesehnt. Tatsächlich ist die EZB die einzige Notenbank, die Käufe von Staatsanleihen im großen Stil bisher vermieden hat. Sie ist auch die einzige, deren Bilanz schrumpft, weil die Banken ihre billigen Kredite wieder zurückzahlen. Und weil sie als einzige derzeit nicht aktiv Geld in den Markt pumpt, kommt dies einer restriktiven Geldpolitik gleich.

Irgendetwas wird sie also tun müssen, die Europäische Zentralbank. „Die Presse“ hat drei der führenden Ökonomen Österreichs um ihre Einschätzung der Lage gebeten – und ihnen dieselben zehn Fragen gestellt. Soll die EZB Staatsanleihen kaufen? Ja, nein, vielleicht. Die Antworten kommen vom Wifo-Ökonomen Marcus Scheiblecker, vom ehemaligen „Presse“-Wirtschaftschef und Leiter der Denkfabrik Agenda Austria Franz Schellhorn und von Peter Brandner. Der Ökonom engagiert sich neben seinem Job im Finanzministerium auch in der bürgerlichen Initiative Weis(s)e Wirtschaft. (jil)

Die Fragen an die Ökonomen

1 Herrscht Ihrer Ansicht nach in der Eurozone derzeit die Gefahr einer Deflation?

2 Wenn ja, wo herrscht Deflation?

Wenn nein, wieso nicht?

3 Soll die Europäische Zentralbank jetzt auch Staatsanleihen kaufen?

4 Wenn ja, wozu?

Wenn nein, wieso nicht?

5 Was sind die Gefahren?

Was sind die Chancen?

6 Könnte die EZB einer möglichen Deflation so überhaupt entgegensteuern?

7 Oder trifft gar die Warnung zu, dass so nur die Südländer gerettet werden sollen?

8 Wären Käufe von Staatsanleihen legal?

Oder ist das verbotene Staatsfinanzierung?

9 Wäre eine Transferunion langfristig eine

gute Sache – oder eine Gefahr für Europa?

10 Was glauben Sie, wird die EZB am

Donnerstag konkret unternehmen?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2015)

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