Fallender Preis, wachsende Probleme

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FILE OIL PRICE(c) EPA (British Petroleum Handout)
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Der fallende Ölpreis durchkreuzt die Pläne der ganzen Branche: In der norwegischen Ölindustrie sollen genauso wie bei der US-Firma Halliburton zehntausende Jobs abgebaut werden.

Oslo/Wien/New York. Als Joergen Langaunet 2012 als Projektplaner bei dem Offshore-Ölkonzern Aker Solutions ASA angefangen hatte, machte er noch viele Überstunden. Damals erlebte Norwegens Ölindustrie, deren Reichtum den größten Staatsfonds der Welt speiste, einen Boom. Im vergangenen Jahr merkte er dann, dass er die meiste Zeit nur noch im Pausenraum verbrachte: Seine Dienste wurden nicht mehr gebraucht. Im September, als die Ölpreise auf dem Weg zu dem stärksten Einbruch seit 2008 waren, verlor Langaunet seinen Arbeitsplatz. Jetzt ist er Regionalmanager bei Tine SA, Norwegens größtem Hersteller von Molkereiprodukten.

„An unserem Standort gab es zwei Personalabbaurunden. Man kann sich also ein Bild von der Lage machen, wenn die Leute gehen müssen – und es egal ist, wie viele Leute gehen, weil es trotzdem immer weniger Arbeit gibt“, sagt der 29-Jährige telefonisch aus Trondheim in Norwegen.

Norwegische Konzerne wie Statoil ASA und globale Ölgiganten mit norwegischen Töchtern, darunter ConocoPhillips, bereiten sich auf die stärksten Investitionskürzungen in dem nordischen Staat seit dem Jahr 2000 vor. Bis zu 40.000 Stellen von den landesweit etwa 250.000 Arbeitsplätzen in der Branche könnten verschwinden. Damit gehen lukrative Jobs verloren: Ölarbeiter verdienten im Schnitt fast 60Prozent mehr als andere Industriearbeiter, und einer Umfrage des Personaldienstleisters Hays zufolge zahlte die Branche in den letzten fünf Jahren entweder die höchsten oder die zweithöchsten Gehälter weltweit.

Der seit Juni um 50Prozent eingebrochene Ölpreis bedroht nun Projekte in aller Welt. Russland befindet sich bereits am Rande einer Rezession, und der Stellenaufbau in Texas, wo der Schieferboom die Wirtschaft in den letzten zehn Jahren wiederbelebt hatte, kühlt sich ab. Weltweit gingen schon mehr als 30.000 Ölstellen verloren, ergab eine Zählung von Bloomberg.

Auch Halliburton

In Norwegen, dem größten Ölförderland Westeuropas, rechnet das norwegische Öldirektorat mit einem Rückgang der Offshore-Investments um 15Prozent, weil Wartung, Aufrüstung und Exploration zurückgefahren werden. Das würde eine scharfe Kehrtwende darstellen, nachdem sich Ölpreise und Investitionen auf See in den zwölf Jahren bis 2013 vervierfacht hatten. „Die Auswirkungen auf die norwegische Öl- und Gasindustrie könnten ziemlich brutal sein“, sagt Sveinung Fjose, von Menon Business Economics. Das in Oslo ansässige Beratungsunternehmen erwartet, dass bis zum Jahresende noch bis zu 30.000 weitere Öljobs verschwinden dürften.

Die Probleme der Branche wirken sich bereits auf die Wirtschaft des nordischen Landes aus, in der Öl mehr als ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Die Zentralbank, die ihre Zinsen zum Schutz vor einer Immobilienblase hoch gehalten hatte, senkte im Dezember erstmals seit mehr als zwei Jahren ihren Leitsatz. Die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Lockerung bis März bezifferte die Notenbank auf 50Prozent.

Auch der US-Ölfeldausrüster Halliburton hat unter dem fallenden Ölpreis zu leiden und muss rund acht Prozent seiner weltweit 80.000 Mitarbeiter kündigen. Der Abbau von Jobs sei eine Notwendigkeit, die sich aus der „schwierigen Realität“ ergebe, sagte die Halliburton-Sprecherin Emily Mir. Die Maßnahmen würden „alle Bereiche“ der Firma betreffen. Halliburton-Chef Jeff Miller deutete zudem an, dass es auch in den USA zu Jobstreichungen kommen werde, wenn die Ölindustrie zu schrumpfen beginnen sollte. Die Aktie reagierte kaum – Analysten waren von einem noch größeren Jobabbau ausgegangen. (Bloomberg/jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2015)

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