Tag der Entscheidung über Griechenland

Griechenlands Premier Tsipras (r.) und sein Finanzminister Varoufakis finden da etwas ziemlich komisch.
Griechenlands Premier Tsipras (r.) und sein Finanzminister Varoufakis finden da etwas ziemlich komisch. REUTERS
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Griechenlands Finanzminister, Varoufakis, hat im letzten Moment um Verlängerung des Hilfsprogramms angesucht. Doch seine eigenen Zusagen sind zu vage. Die wichtigsten Fragen blieben offen.

Griechenlands Gratwanderung zwischen neuem Hilfsprogramm und Pleite wird heute, Freitag, einen entscheidenden Punkt erreichen. Zwar hat Finanzminister Yanis Varoufakis im letzten Moment vor Ablauf des Ultimatums der Europartner einen Antrag auf eine sechsmonatige Verlängerung des Hilfsprogramms gestellt. Doch die in seinem Brief enthaltenen Zusagen sind so vage, dass Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu keiner Zustimmung bereit war. „Der Brief aus Athen ist kein substanzieller Lösungsvorschlag“, hieß es aus seinem Ministerium. Athen ziele auf eine Brückenfinanzierung ab, ohne die Anforderungen des Programms zu erfüllen. In Brüssel werden die 19 Euro-Finanzminister deshalb heute erneut um eine Einigung ringen.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker als auch der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) interpretierten den griechischen Brief hingegen positiv. Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, sagte denn auch am Rande eines Treffens mit Bundeskanzler Werner Faymann, es gebe „keine Position der deutschen Bundesregierung, nur eine von Schäuble“.

Im Schreiben aus Athen – es liegt der „Presse“ vor – wird zwar der Rahmen des bisherigen Hilfsprogramms als Grundlage einer Verlängerung akzeptiert, nicht aber die Einflussnahme der Gläubiger auf Reformen und die vereinbarten Sparziele. Es wird sogar behauptet, dass „einige technische Vereinbarungen“ durch die Neuwahl in Athen ungültig geworden seien. Varoufakis fordert von den Geldgebern Flexibilität. Er selbst gibt weder konkrete Zusagen noch Zahlen preis.

Vier Kernfragen sind deshalb noch gänzlich offen.
Kontrolle durch Troika. Die Europartner und der Internationale Währungsfonds (IWF) bestehen auf einer ständigen Kontrolle der griechischen Reformanstrengungen. Die neue Regierung in Athen unter Ministerpräsident Alexis Tsipras ist nach wie vor nicht dazu bereit, sie akzeptiert nur eine lose Zusammenarbeit und fordert mehr eigenen politischen Spielraum.

Haushalt. Um den Staatshaushalt wieder ins Lot zu bringen, hat sich Griechenland verpflichtet, dieses Jahr einen primären (um den Schuldendienst bereinigten) Überschuss von drei Prozent des BIPs zu erzielen. 2016 und 2017 sollte der Primärüberschuss 4,5 Prozent betragen. Finanzminister Varoufakis will das nun ändern. Er peilt einen Überschuss von nur 1,5 Prozent des BIPs an.

Reformen. Die neue Regierung sieht in der Verfolgung von Steuersündern und in einer Reichensteuer eine künftige Geldquelle: 5,5 Mrd. Euro sollen so 2015 eingehoben werden. Dies wäre auch notwendig, denn gleichzeitig sind zahlreiche Erleichterungen geplant: etwa die Abschaffung der unbeliebten Immobiliensteuer, Zuschüsse für Bezieher von Mindestpensionen sowie die Ausweitung der medizinischen Versorgung für Arbeitslose. Tsipras will nach eigenen Angaben 30 Prozent der vereinbarten Reformvorhaben abändern.

Privatisierungen. Wichtiger Bestandteil des laufenden Hilfsprogramms war die Zusage der Regierung in Athen, sich von Beteiligungen an Unternehmen zu trennen. Insgesamt 22 Mrd. Euro sollten auf diesem Weg lukriert werden, bis dato kamen lediglich rund drei Mrd. Euro zusammen. Die neue Regierung will von Privatisierungen nichts wissen und hat zahlreiche Vorhaben gestoppt – etwa den Verkauf eines Mehrheitsanteils am Hafen Piräus an die chinesische Cosco-Gruppe.

Schuldenschnitt. Die Europartner haben einen neuen Schuldenschnitt für Griechenland ausgeschlossen. Varoufakis hat in seinem Brief allerdings gefordert, dass im Rahmen eines neuen Programms ab Herbst eine Reduzierung der auf 323 Milliarden Euro angestiegenen Staatsschulden verhandelt werden müsse. Er verwies auf eine Sitzung der Euro-Finanzminister vom November 2012. Damals wurde ein Schuldenschnitt zulasten öffentlicher Gläubiger in Aussicht gestellt, sollte Griechenland wieder einen Haushaltsüberschuss erwirtschaften.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2015)

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