Deutschland: Schäubles dritter Streich

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Der deutsche Staat erzielte 2014 nicht nur den dritten Überschuss in Folge, er konnte das Plus mit einem Überschuss von 18 Mrd. Euro auch über die Erwartungen steigern.

Wien. Wie groß ist das Budgetloch? Das ist hierzulande beim Thema Staatshaushalt jedes Jahr die entscheidende Frage. 1,1 Prozent Defizit erwartet das Finanzministerium für 2014. Genaue Zahlen wird es jedoch erst im April geben. Langfristiges politisches Ziel ist das beinahe Erreichen eines „strukturelles Nulldefizits“ (also ein Minus von 0,5 Prozent unter Ausklammerung konjunktureller Effekte) ab 2016. Ob dieses Ziel hält, ist angesichts der jüngsten – deutlich pessimistischeren – mittelfristigen Prognosen des Wifo jedoch alles andere als sicher.

Anders die Situation in Deutschland. In Berlin gibt es nicht nur bereits zwei Monate früher die endgültigen Zahlen für das vergangene Jahr. Sie sehen auch wesentlich besser aus: 18 Mrd. Euro Überschuss erzielte der deutsche Staat demnach im Jahr 2014. Das entspricht einem Maastricht-Überschuss von 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Damit konnte Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nicht nur den dritten Überschuss in Folge präsentieren. Er konnte auch die Erwartungen von zwölf Mrd. Euro deutlich übertreffen. Eine Überraschung, die viele Beobachter gar nicht sonderlich überrascht. Denn Schäuble ist bekannt dafür, besonders vorsichtig zu budgetieren und daher regelmäßig bessere Zahlen zu präsentieren.



Aber nicht nur die Höhe des deutschen Überschusses ist eindrucksvoll, auch die Art und Weise wie er zustande gekommen ist. Denn erstmals konnten alle vier Teilbereiche des Staates (Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen) einen Überschuss erzielen (siehe Grafik). Für den Bund war es überhaupt das zweite Plus seit dem Jahr 1969. Nur im Jahr 2000 gab es auch bereits einmal einen Überschuss, damals waren jedoch hohe Einmaleinnahmen aus der Versteigerung von UMTS-Funklizenzen der Grund dafür.

Konjunktur treibt Einnahmen an

Zwar gab es auch 2014 Einmaleffekte – etwa 2,3 Mrd. Euro von AKW-Betreibern, nachdem der Bundesfinanzhof ihre Klagen gegen die Kernbrennstoffsteuer abgewiesen hatte. Der Hauptgrund für die deutliche Steigerung – auch gegenüber den bereits guten Jahren 2012 und 2013 – waren jedoch die florierenden Staatseinnahmen in Folge der Konjunktur. „Sie sorgt für höhere Einnahmen aus der Umsatz- und Lohnsteuer sowie den Sozialbeiträgen“, sagt Götz Zeddies vom Institut für Wirtschaftsforschung in Halle.

Dass bei den Sozialversicherungen der Überschuss gegenüber dem Höchststand von 18,3 Mrd. Euro im Jahr 2012 dennoch deutlich gesunken ist, hängt mit einer automatischen Beitragskürzung per Anfang 2013 zusammen. Der Grund dafür: Die Sozialversicherungen hatten ihre Höchstgrenze für die Nachhaltigkeitsrücklagen überschritten.

Nicht ganz so nachsichtig zeigten sich hingegen die Gemeinden mit ihren Bürgern. Sie erhöhten laut einer Untersuchung der Beratungsgesellschaft Ernst & Young auch in den vergangenen Jahren deutlich die Grund- und Gewerbesteuern. Demnach wurde im Jahr 2014 in jeder fünften Gemeinde die Grundsteuer angehoben, bei 18 Prozent auch die Gewerbesteuer. Seit Anfang 2010 habe sogar die Hälfte aller Städte und Gemeinden mindestens einmal die Gewerbesteuer erhöht.

Auch der Blick in die Zukunft fällt für das deutsche Finanzministerium erfreulich aus. „2015 und 2016 wird der deutsche Staat sicher weitere Überschüsse erzielen“, so Zeddies. Grund dafür bleibe die robuste ökonomische Entwicklung. So konnte die deutsche Wirtschaft etwa im Schlussquartal des Vorjahres um 0,7 Prozent zulegen und wuchs damit doppelt so stark wie die Eurozone und siebenmal so stark wie Österreich. Im Jänner setzte dieser Trend sich bereits fort. In die Kassen von Bund und Ländern flossen 43,2 Mrd. Euro – das sind um 4,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Frankreich will mehr Zeit haben

Während in der größten Volkswirtschaft der EU also ein Rekord nach dem anderen gefeiert wird, sieht die Lage in Frankreich – der zweitgrößten Volkswirtschaft – deutlich düsterer aus. Laut einem Bericht des „Handelsblatts“ unter Berufung auf Insider in der EU-Kommission fragte die französische Regierung nämlich bereits in Brüssel an, ob die Frist für die Einhaltung der Maastricht-Defizit-Regeln um drei Jahre verlängert werden könnte. Paris will demnach erst im Jahr 2018 das Budgetminus auf unter drei Prozent des BIPs drücken. Grund dafür sei unter anderem die französische Präsidentschaftswahl im Jahr 2017. Die Regierung wolle während des Wahlkampfs keine unpopulären Strukturmaßnahmen umsetzen müssen. Diese wären jedoch notwendig, um Frankreichs Budget in Ordnung zu bringen. (jaz/Reuters)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2015)

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