"Troika" ist zurück: Vorschläge aus Athen werden überprüft

Varoufakis
Varoufakis(c) REUTERS (ALKIS KONSTANTINIDIS)
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Varoufakis will sieben Reformen forcieren. Reformgespräche mit der „Troika“ beginnen am Mittwoch.

Wien/Athen/Brüssel. So wortkarg hat man Yanis Varoufakis lange nicht erlebt: Zielstrebigen Schrittes betrat Griechenlands Finanzminister am Montagnachmittag den Tagungsort der Euro-Gruppe in Brüssel. Seine Amtskollegen sind mit ihrer Geduld und ihren Nerven am Ende, das weiß auch der hartnäckige Ökonom – und die Aussichten auf einen Teilsieg im Ringen um ein Ende der ungeliebten Sparmaßnahmen sinken von Tag zu Tag. Im Gegenzug für die Ende Februar vereinbarte Verlängerung des zweiten Hilfsprogramms um vier Monate wollen die Geldgeber endlich Reformen sehen.

Sie bemühen sich nicht einmal mehr um gesichtswahrende Worte für die Protagonisten aus Athen: So machte der deutsche Finanzminister, Wolfgang Schäuble, gestern unmissverständlich klar, dass die Schuldenproblematik des Mittelmeerlands Sache der „Troika“ sei: Ein Wort, das auf Drängen der neuen griechischen Regierung – und ob seiner Unbeliebtheit – eigentlich aus dem Sprachgebrauch der Krisenpolitik gestrichen werden sollte.

„Wir haben mehr als zwei Wochen verloren“, mahnte Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem. Die Gespräche zur Umsetzung der griechischen Reformverpflichtungen beginnen nun jedenfalls bereits am Mittwoch in Brüssel. Darauf einigten sich die Ressortchefs beim Finanzministertreffen am Montag. Noch fehlt den Europartnern freilich eine Übersicht zur angespannten Liquiditätslage im Land. Gibt es keine Einigung auf konkrete Sparmaßnahmen, kann Athen auch nicht mit Zahlung der noch ausstehenden Tranche von 7,2 Milliarden rechnen – Geld, das wegen fälliger Verpflichtungen von 6,8 Milliarden Euro allein im März dringend benötigt wird.

Drohen mit Flüchtlingswelle

Ein elfseitiges Schreiben aus Athen, das Varoufakis an den Euro-Gruppen-Chef gesandt hat und nun von der „Troika“ aus EU-Kommission, IWF und EZB geprüft werden soll, stößt bisher auf wenig Anklang in Brüssel. Das weiß auch die griechische Regierung – und sie betont, dass die Reformvorschläge nur die „ersten sieben Maßnahmen“ zum Abschluss des laufenden Programms und zur Ankurbelung der Steuereinnahmen sind.

Griechenlands Verteidigungsminister Panos Kammenos versuchte es am Wochenende gar mit Erpressung: Sollte die EU die Finanzhilfe verweigern, drohte der Minister von der rechtspopulistischen Partei Anel damit, die Grenzen des Landes zu öffnen. Eine Welle illegaler Flüchtlinge würde dann Europa überschwemmen. „Wenn sie Griechenland einen Schlag versetzen, dass die Migranten Reisedokumente bekommen und nach Berlin gehen“, erklärte Kammenos.

Für einen Lacherfolg sorgte europaweit indessen der Vorschlag, Amateurprüfer – darunter auch Touristen – zur Kontrolle von Geschäftsinhabern einzusetzen, die ihre Mehrwertsteuer nicht abführen wollen. Drei weitere Ansinnen sind technischer Natur und sollten eher Gegenstand einer griechischen interministeriellen Kommission auf Beamtenebene als einer Sitzung der „Troika“ sein: Es handelt sich um die Bildung eines „Haushaltsrats“, der langfristige budgetäre Kostenrechnungen anstellen soll, die Einführung der Bürgerkarte zur Vermeidung bürokratischer Schikanen und, drittens, Budgetdeckelungen für die Kostenstellen der Ministerien – eigentlich eine Selbstverständlichkeit, während andere, „heißere“ Themen wie Privatisierungen, Zusammenlegung von Kassen oder weitere Einsparungen im Beamtenapparat umgangen werden.
Die Bekämpfung der „humanitären Krise“ mit Gratisstrom, Essensrationen und Mietbeihilfen für arme Familien (mit Einkommen bis 4800 Euro pro Jahr) war die linksradikale Syriza-Regierung ihrer Klientel schuldig. Das Paket fiel mit ca. 200 Millionen Kosten jedoch weit billiger als erwartet aus.

An wunde Punkte mit potenziell großen Auswirkungen auf das Budget rühren nur zwei Vorschläge: das neue Modell zur Regelung von Schulden der Bürger an den Staat und die endgültige Regelung des Internetglücksspiels. Die Schulden griechischer Privatleute und Firmen an den Staat betragen gigantische 76 Milliarden Euro – etwa 50 davon wurden in den Krisenjahren ab 2010 aufgehäuft. Der Großteil, 65 Milliarden, sind Steuerschulden, der Rest geschuldete Sozialversicherungsbeiträge. Von diesem Geld sollen nach Schätzung der EU-Kommission nur neun Milliarden einzutreiben sein – ein Großteil der Schulden geht nämlich auf bankrotte Firmen zurück, von denen es nichts mehr zu holen gibt.

In einem ersten Schritt bis Ende März sollen alle Strafaufschläge erlassen werden, wenn die Kernschuld bezahlt wird. In einem zweiten Schritt sind langfristigere Regelungen geplant – ein Gesetzesentwurf ist seit einem Monat im Gespräch. Beim Internetglücksspiel wiederum entgehen dem Staat nach Aussage der Regierung jährlich Steuereinnahmen von etwa 500 Millionen Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2015)

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