Studie: Man lebt nicht länger, nur weil man reich ist

(c) Bilderbox
  • Drucken

Arme leben kürzer: So viel steht fest. Aber warum? Das ist hoch umstritten. Nun zeigen Ökonomen anhand von Lottogewinnern: Geld ist nicht die Ursache von guter Gesundheit.

Wien. Reiche leben länger als Arme – das ist ein Befund, an dem nicht zu rütteln ist. Das Faktum zeigt sich in den Zahlen immer wieder, überall auf der Welt. Oft genug lautet die Schlagzeile dazu: „Armut macht krank“, oder: „Armut führt zu frühem Tod“. Das klingt auf den ersten Blick fast gleich – und plausibel. Leicht lässt sich argumentieren: Arme können sich nicht die besten Ärzte und keine teuren Bio-Lebensmittel leisten, sie müssen eher körperlich hart arbeiten und haben Existenzsorgen, die sie krank machen.
Doch Vorsicht ist geboten. Denn die Daten belegen ja nur die Korrelation zwischen Einkommen und Lebenserwartung. Dass wenig Geld aber wirklich als Ursache eines kürzeren Lebens gelten kann, ist damit nicht gesagt. Ökonomen kennen die Tücken der Statistik.

Zum Beispiel die umgekehrte Kausalität: Wer kränklich ist, kann weniger arbeiten und ist dadurch ärmer. Vor allem aber könnte der wahre Grund in etwas liegen, das bei Reichen häufiger vorkommt als bei Armen, aber nicht (nur) am Einkommen hängt – zum Beispiel gute Bildung. Wer mehr weiß, verdient meist mehr. Aber er weiß auch, wie er sein Essen gesünder zubereitet. Nun korreliert auch Bildung klar mit der Lebenserwartung: Wer mehr gelernt hat, lebt länger (siehe in der Grafik die Zahlen zu Österreich). Bildung aber ist in einem Wohlfahrtsstaat – zumindest der Theorie nach – allen zugänglich. Was nun wirklich über ein kurzes oder langes Leben entscheidet, darüber grübeln die Ökonomen seit Langem. Keineswegs eine rein akademische Debatte: Politiker sollten wissen, ob sie Gesundheit und langes Leben eher durch Umverteilung oder bessere Ausbildung fördern können. Doch die Datenlage schien bisher zu schwach für starke Aussagen.

Bildung ist wichtiger

Nun aber hat ein internationales Forscherteam der Universitäten von Cambridge, Stockholm und New York den Stier bei den Hörnern gepackt: Sie haben die glücklichen Gewinner von drei schwedischen Lotterien als Basis genommen. Also Menschen, die auf einmal viel mehr Geld hatten als zuvor. Das Ergebnis: Auf ihre Lebenserwartung in den folgenden zehn Jahren hatte der hohe Gewinn keinen Einfluss. Sie mussten zudem nicht seltener ins Krankenhaus und brauchten nicht weniger Medikamente (nur psychische Erkrankungen gingen leicht zurück). Auch ihre Kinder lebten nicht gesünder. Das nüchterne Fazit: Es gibt keinen Kausalzusammenhang zwischen Reichtum und Gesundheit.

Kein triviales Ergebnis. Denn natürlich wirkt Geld nicht unmittelbar wie eine Medizin. Aber eine ganze Reihe von möglichen Ursachen, die oft stark vom Einkommen abhängen, fällt hier offenkundig weg: Lottomillionäre können sich natürlich die besten Ärzte und die gesündesten Lebensmittel leisten. Sie müssen nicht mehr hart arbeiten und haben mehr Freizeit. Und die Existenzsorgen fallen weg. Eines aber können sie kaum mehr nachholen: das Wissen, das man sich in der Jugend aneignet – auch das Wissen, wie wichtig ein gesunder Lebenswandel ist, wie schädlich Rauchen und zu fette Speisen. Nun ist die Idee mit den Lottogewinnern als Versuchskaninchen nicht neu. Mit ihnen wollte man schon beweisen, dass Geld nicht glücklich macht. Auch zur Frage der Lebenserwartung gab es bereits Lotterie-Studien. Die aktuellen Autoren sind aber überzeugt, dass ihre Ergebnisse weit robuster sind, vor allem wegen der hohen Gewinne in ihrem Sample. Ein wichtiges Detail: Eine der drei Lotterien zahlt den Gewinn in monatlichen Tranchen aus. Damit fällt der „Schockeffekt“ weg, der dazu führen kann, dass die Spieler den Geldsegen rasch verjuxen. Die monatliche Auszahlung wirkt einfach wie ein deutlich höheres laufendes Einkommen. Die Ergebnisse zwischen beiden Gruppen von Gewinnern waren übrigens fast gleich.

Spezialfall Schweden?

Eines aber schwächt die Aussagekraft der Studie, die in der „Frankfurter Allgemeinen“ schon ausführlich besprochen wurde, dann doch ab: Sie ist auf Schweden bezogen – auf ein einziges Land, das zudem ein außergewöhnlich egalitäres Gesundheitssystem hat. Salopp gesagt: Der Millionär wird dort medizinisch nicht viel besser behandelt als der Bettler. Deshalb wollen die Forscher ihre Ergebnisse nicht verallgemeinern. Doch sie erwähnen Daten, die diese Skrupel abschwächen: In den USA sind die Differenzen zwischen Arm und Reich bei der Lebenserwartung auch nicht höher als ihn Schweden – obwohl die Gesundheitsversorgung dort viel stärker privat organisiert ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.