Industrie 4.0: "Die menschenleere Fabrik wird es nicht geben"

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Experten rechnen für Deutschland mit Hunderttausenden neuen Jobs. Es werden jedoch andere Arten von Arbeitsplätzen entstehen, zeigt eine BCG-Studie.

Die wachsende Digitalisierung der Industrie wird nach Einschätzung der Boston Consulting Group (BCG) in den kommenden zehn Jahren tausende zusätzliche Jobs in Deutschland schaffen. Insgesamt 390.000 neue Arbeitsplätze könnten durch den Trend hin zur Industrie 4.0 entstehen, wie es in einer am Donnerstag veröffentlichten Studie heißt.

Mit dem Schlagwort "Industrie 4.0" ist der wachsende Einsatz von Software und Robotern in Fabriken gemeint. Mit Hilfe von Barcodes auf Bauteilen und der Kommunikation zwischen den Maschinen soll die Produktivität gesteigert und individuelle Fertigung möglich werden.

Österreich hinkt hinterher

"Die menschenleere Fabrik wird es nicht geben", sagt Studienautor Michael Rüßmann der Deutschen Presse-Agentur. "Es wird erstens weiter auch Arbeiter geben, die gemeinsam mit Robotern arbeiten. Zweitens werden Arbeitsplätze in der Fertigung IT-lastiger, das heißt, es entstehen andere Arten von Arbeitsplätzen." Einfache manuelle Jobs in der Fertigung und Fabriklogistik - wie Gabelstaplerfahrer - könnten aber wegfallen, räumte Rüßmann ein.

In Österreich werden indes in den nächsten Wochen die Sozialpartner gemeinsam mit dem Infrastrukturministerium die neue Plattform "Industrie 4.0" vorstellen um das Thema der "intelligenten Fabrik" in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Dass der Infobedarf hoch ist, zeigt eine aktuelle Umfrage, wonach die Hälfte der Industriebetriebe mit dem neuen Schlagwort nichts anfangen kann.

Gewerkschaften sind alarmiert

Von jenen Industrievertretern, denen Industrie 4.0 ein Begriff ist, sehen 38 Prozent einen Trend, dem man Rechnung tragen muss. Für 27 Prozent bringt Industrie 4.0 eine Flexibilisierung der Produktion. Jeder Vierte bräuchte zu Industrie 4.0 noch mehr Informationen und jeder Fünfte glaubt an einen Hype, der vorübergehen wird, geht aus der Gallup-Umfrage hervor.

In Deutschland mahnen Gewerkschaften wie die IG Metall bereits, dass Beschäftigte künftig gezielt ausgebildet und qualifiziert werden müssen. Beschäftigte bräuchten unabhängig von ihrem Arbeitsplatz die Chance, sich umzuorientieren, sagte IG-Metall-Vize Jörg Hofmann jüngst in einem Interview. Eine gewaltige Aufgabe. Denn allein im deutschen Maschinenbau arbeiteten zuletzt rund eine Million Menschen. In der gesamten Metall- und Elektroindustrie sind es 3,7 Millionen. Wie viel in die Weiterbildung gesteckt werden müsste, beziffern die Studienautoren von BCG allerdings nicht. Insgesamt gehen die Autoren von einem Investitionsbedarf von 250 Mrd. Euro bis 2025 aus.

Milliarden-Beitrag zum BIP

Im Gegenzug wird der Wandel nach der Prognose der Experten in den kommenden zehn Jahren etwa 30 Mrd. Euro zum Bruttoinlandsprodukt beitragen. "Das Wachstum wird zum Einen von intelligenteren, Industrie 4.0 unterstützenden Produkten im Maschinenbau herrühren", sagt Rüßmann. "Zum Anderen wird mit Industrie 4.0 die Fertigung individueller Produkte möglich und damit eine bessere Bedienung der Nachfrage insgesamt und in Nischen." Die volle Umsetzung dieses Wandels wird nach Einschätzung der Experten aber noch 20 Jahren dauern.

Deutschland hinke zwar nicht hinterher, sagte Rüßmann, sondern sei in Summe gleichauf mit den USA. "Deutschland kommt allerdings aus einer Position der Führung in Maschinenbau und Automatisierung. Man könnte also den Anspruch haben, führend zu sein." In den USA haben sich führende Firmen, darunter Cisco, General Electric, aber auch deutsche Firmen wie Bosch und Siemens zum Industrial Internet Consortium (IIC) zusammengeschlossen, das Standards und Pilotprojekte für den Einsatz von Industrie 4.0 entwirft. Dessen Ansatz sei viel pragmatischer. "Es wäre wünschenswert, wenn man so etwas auch für Europa auf die Beine stellt". Ein guter Ansatz sei hier das geplante Industrial Data Space Consortium.

(APA/dpa)

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