Diskretes Treffen der VW-Granden

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Das Präsidium des VW-Aufsichtsrats traf sich, um über die Zukunft von Konzernchef Winterkorn zu entscheiden. Über das Ergebnis herrscht aber Stillschweigen.

Nach dem Krisentreffen im Machtkampf bei Volkswagen, das länger andauerte als von einigen Präsidumsmitglieder geplant, zieht sich die Bekanntgabe der Ergebnisse einem Insider zufolge noch hin. Die geplante Mitteilung müsse erst zwischen allen Beteiligten abgestimmt und dann für die weltweite Veröffentlichung übersetzt werden, sagte eine mit den Vorgängen vertraute der Person am Freitag.

Der Machtkampf um die Führung bei Volkswagen lief am Donnerstag auf eine Zerreißprobe zu. Noch am späten Nachmittag trat nach Informationen eines Insiders das Präsidium des Aufsichtsrats von Europas größtem Autokonzern erstmals zusammen, nachdem in der vergangenen Woche VW-Patriarch Ferdinand Piëch Vorstandschef Martin Winterkorn öffentlich das Vertrauen entzogen hatte. „Heute findet die Präsidiumssitzung statt“, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person. Wo der kleine, aber in wichtigen Angelegenheiten entscheidende Kreis tagte, wurde zunächst nicht bekannt. Am Nachmittag hieß es, dass zwei Flugzeuge des VW-Konzerns in Salzburg gelandet seien. Das deutete darauf hin, dass das Treffen in Salzburg oder in Zell am See, dem Stammsitz der Familien Porsche und Piëch, stattfand.

Der überraschende Bruch Piëchs mit seinem einstigen Zögling Winterkorn war auf Ablehnung im Aufsichtsrat gestoßen. Nun wollte zumindest Betriebsratschef Bernd Osterloh Piëch die Stirn bieten und den angesehenen Manager verteidigen. An der positiven Haltung des Betriebsrats zu Winterkorn habe sich nichts geändert, hieß es aus dessen Umfeld am Donnerstag.

Dem Aufsichtsratspräsidium gehört neben Piëch und seinem Cousin Wolfgang Porsche auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) an. Für die Arbeitnehmer sitzen Betriebsratschef Bernd Osterloh, sein Stellvertreter Stephan Wolf und der frühere IG-Metall-Chef Berthold Huber in dem Gremium, das die Sitzungen des Aufsichtsrates vorbereitet.

Piëch hatte am Wochenende gegenüber dem „Spiegel“ erklärte, er sei „auf Distanz zu Winterkorn“. Die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat hatten sich spontan hinter Winterkorn gestellt. Auch das an VW beteiligte Land Niedersachsen und die mit Piëch verwandte Porsche-Familie äußerten sich ablehnend zu dessen Volte. Der dritte VW-Großaktionär nach dem Familienclan Porsche-Piëch und dem Land, der Staatsfonds von Katar, sieht laut „Handelsblatt“ Winterkorns Chancen auf einen Verbleib im Amt gegen den Widerstand des Chefkontrolleurs skeptisch. Piëch hat schon Winterkorns Vorgänger Bernd Pischetsrieder und den früheren Porsche-Chef Wendelin Wiedeking aus dem Amt gedrängt.

Die Diskussion über die Spitze von Volkswagen schwelt schon länger wegen des fortgeschrittenen Alters der Hauptakteure. Oberaufseher Piëch wird heute, Freitag, 78 Jahre alt und ist bis 2017 gewählt. Der Vertrag des 67-jährigen Winterkorn läuft Ende 2016 aus. Bisher wurde erwartet, dass er später auf Piëch als Aufsichtsratschef folgt. Ein Nachfolger für Winterkorn in der Unternehmensführung war bisher nicht in Sicht, galt der Schwabe doch als unersetzlich. Er lenkt das VW-Imperium mit seinen zwölf Marken seit 2007. Unter seiner Ägide ist der Wolfsburger Konzern weit vorangekommen und steht davor, Toyota als Nummer eins zu überholen.

Schon wird über Nachfolger Winterkorns spekuliert. Als Favorit gilt Porsche-Chef Matthias Müller. Der 61-Jährige war lange Jahre Produktplaner im Konzern.

Schwache Rendite bei Kernmarke VW

In dem Konzern haben sich allerdings einige Probleme zusammengebraut – so liegt die Rendite der Kernmarke VW nur bei rund zwei Prozent. Piëch, der die Strategie des Konzerns bisher mitgetragen hat, ist offenbar der Geduldsfaden gerissen. Im Aufsichtsrat kritisierte er die bekannten Schwachstellen zuletzt immer schärfer, wie es in Unternehmenskreisen hieß. Vor allem das lahmende Geschäft in den USA habe den Chefkontrolleur frustriert. Während die deutschen Konkurrenten BMW und Daimler auf dem zweitgrößten Automarkt weltweit gut verdienen, gingen die Verkaufszahlen von VW im Vorjahr mangels attraktiver Modelle deutlich zurück. Volkswagen beschäftigt weltweit fast 600.000 Mitarbeiter. 2014 erzielte der größte Autobauer Europas einen Umsatz von 202,5 Mrd. Euro und schrieb 10,9 Mrd. Gewinn. (ag)

Auf einen Blick

Führungskrise. VW-Aufsichtsratspräsident Ferdinand Piëch ging in einem „Spiegel“-Interview vergangene Woche auf Distanz zu seinem „Ziehsohn“ und Konzernchef Martin Winterkorn. Seither tobt beim größten Autobauer Europas ein erbitterter Machtkampf. Am Donnerstag trat das Präsidium des Aufsichtsrats zusammen, um über die Zukunft Winterkorns zu entscheiden. Ort und Zeitpunkt des Treffens wurden geheim gehalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2015)

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