IWF: Asiens Unmut über die Doppelmoral des Westens

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Die USA blockieren seit fünf Jahren die Reform des Währungsfonds. Die BRICS sehen das mit Frustration – und entwerfen Alternativen. Dass der Westen in der Krise seine eigenen Lektionen ignoriert, sorgt für zusätzlichen Unmut.

Wien/Washington. Der Internationale Währungsfonds IWF steckt in der Vergangenheit fest. Seit mittlerweile fast fünf Jahren blockieren die USA (konkret: der von den Republikanern dominierte Kongress) eine weitreichende Reform der Institution zugunsten der bisher massiv unterrepräsentierten Schwellenländer. Obwohl die Reform des IWF vom Weißen Haus offiziell unterstützt wird, gab es auch bei der Frühjahrstagung vergangenes Wochenende in Washington keine Fortschritte.

Die USA kontrollieren derzeit 16,75 Prozent der IWF-Stimmen und verfügen über eine Sperrminorität bei allen wichtigen Entscheidungen. China, Indien und Russland bringen es gemeinsam gerade einmal auf 8,54 Prozent der Stimmen. Der indische Finanzminister, Arun Jaitley, ließ seinem Unmut nach dem Ende der Tagung freien Lauf: „Wir sind sehr enttäuscht darüber, dass die 2010 vereinbarten Reformen noch nicht umgesetzt wurden – obwohl es dafür starke Unterstützung in der internationalen Gemeinschaft gäbe.“ Die Blockade gefährde die Glaubwürdigkeit und die Legitimation des Währungsfonds, sagte Jaitley am Sonntag in Washington.

Unmut in Indien

Der IWF wurde gemeinsam mit der Weltbank 1944 als eine Institution des damals vereinbarten Systems von Bretton Woods gegründet. Das System hielt nur bis 1971, aber der Fonds erfand die eigene Rolle seitdem immer wieder neu. Wirklich „international“ wurde die Institution trotzdem nie. So gibt es zwischen den USA und Europa eine informelle Abmachung, dass der Weltbank-Chef aus Amerika und der IWF-Chef aus Europa zu kommen hat. Auch das ist den aufstrebenden Asiaten ein Dorn im Auge.

Aber der Graben zwischen West und Ost ist noch tiefer. Länder in Asien und Südamerika kannten den IWF bis zur Wirtschaftskrise nur als strengen Schuldeneintreiber, was dem Image der Institution bei der Bevölkerung nicht gerade zuträglich war. Nach der Asien-Krise in den Jahren 1997 und 1998 erlegten IWF und Weltbank den betroffenen Ländern ein hartes Reformprogramm auf, das aus Schuldenreduktion, Strukturreformen und verantwortungsvoller Geldpolitik bestand.

Aber nach dem Zusammenbruch seines eigenen Finanzsystems 2008 und in der weiterhin schwelenden Staatsschuldenkrise hat der Westen ziemlich genau das Gegenteil dieser „Medizin“ angewandt. Nirgends wird das deutlicher als beim Geld. Statt einer „verantwortungsvollen“ Geldpolitik haben die westlichen Zentralbanken eine geschichtlich einzigartige Lawine des billigen Geldes losgetreten. Indiens Notenbank-Chef, Raghuram Rajan, ortet hier eine Doppelmoral des Westens. „Sie haben alles versucht, auch die Fortsetzung lockerer Geldpolitik. Aber nachhaltiges Wachstum wurde dadurch nicht erreicht“, so Rajan.

Asiatische Alternativen

Inzwischen haben die Schwellenländer unter der Führung Chinas gleich mehrere Initiativen gestartet, die dem westlich dominierten System etwas entgegensetzen sollen – eine asiatische Alternative. Der überraschend starke Zuspruch für die von China erfundene Asian Infrastructure Development Bank (AIIB), der nur die USA und Japan fernbleiben, zeigt, dass das aktuelle System nicht mehr ausreichend ist, um die wirtschaftliche Realität widerzuspiegeln.

Der nächste Schritt ist die geplante neue Entwicklungsbank der BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), und sogar ein eigener BRICS-Währungsfonds wird vorbereitet. Und irgendwann werden die Asiaten dann aufhören, die IWF-Reformen einzufordern. Weil sie den IWF nicht mehr brauchen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2015)

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