Debatte: Familienunternehmer, so schlimm wie Oligarchen?

Chairman of the supervisory board of German carmaker Volkswagen Piech walks beside President and CEO of Porsche Automobil Holding SE Winterkorn as they attend the annual shareholders meeting of Porsche in Leipzig
Chairman of the supervisory board of German carmaker Volkswagen Piech walks beside President and CEO of Porsche Automobil Holding SE Winterkorn as they attend the annual shareholders meeting of Porsche in Leipzig(c) REUTERS (FABRIZIO BENSCH)
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Ein aktuelles Ranking zeigt: Firmen in Familienhand sind eine globale Macht. Doch es gibt Misstöne: Eine deutsche Kolumne verglich die Clans mit russischen Oligarchen. Ihre Interessenvertreter reagieren nun scharf.

Wien. Eine Familie als Eigentümer: Das kann auch in großen Konzernen funktionieren, über viele Generationen hinweg. Ein aktuelles Ranking, erstellt von der Uni St. Gallen mit den Beratern von Ernst & Young, liefert eindrucksvolle Zahlen: Die 500 größten Familienunternehmen der Welt erwirtschaften 6,5 Bio. Dollar. Damit wären sie als Volkswirtschaft die drittgrößte hinter den USA und China.

Auffallend viele der von Familien kontrollierten Konzerne, nämlich fast ein Fünftel, kommen aus Deutschland. Doch in das übliche Loblied auf den Mittelstand in Familienhand, der sich auch zu ganz Großem aufschwingen kann, mischen sich Misstöne. Die hässliche Fehde der Familien Porsche und Piëch um die Macht bei Volkswagen (Platz zwei im Ranking nach dem US-Einzelhändler Walmart) verführte einen Kolumnisten auf Spiegel Online unlängst zu einer provokanten Kolumne: „Zerschlagt die Familienunternehmen“ waren Titel und Tenor. Der „absurde Spuk“ um VW zeige, dass die reichen Akteure um nichts besser seien als russische Oligarchen – ob sie nun Quandt oder Würth, Otto oder Oetker hießen. Deshalb sei eine Zerschlagung durch eine hohe Erbschaftssteuer „zwingend geboten“.

Talent ist nicht erblich

Die Empörung über die Provokation war groß. Nun hat auch der Interessenvertreter offiziell zurückgeschlagen: In einem Interview verwehrt sich Brun-Hagen Hennerkes, Chef der Stiftung Familienunternehmen, gegen die „absurden Forderungen“. Schon der Vergleich mit den Oligarchen sei falsch – denen gehe es um ihre eigene Macht und politischen Einfluss, den Eigentümerfamilien aber um den Fortbestand ihrer Firma. Aber in aller Ruhe gefragt: Welche Berechtigung haben groß gewordene Familienunternehmen wirklich? Denn dass Talent meist nicht vererbt wird, hält auch Peter Englisch, Partner und Experte zum Thema bei Ernst & Young, im Gespräch mit der „Presse“ für „unstrittig“. Aber: „Das spielt gar keine Rolle.“ Viele Familienunternehmen haben externe Manager. Der Clan ist dann im Aufsichtsrat, und das genüge, um die Firma weiter „im Sinn der Gründer“ zu führen.

Dass der „eigene Name und das eigene Vermögen“ dahinterstehen, dass es eine „historische und emotionale Bindung“ gibt, führten in der Regel zu einem „anderen, verantwortungsbewussteren Handeln“ als bei der „anonymen“ Aktiengesellschaft. Dort, so Englisch, regieren Vorstände, die in Berichtsquartalen statt Generationen denken und denen es vor allem um Gehalt und Bonus geht.

Zudem befinden sie sich in „permanenter Rotation“: In den größten US-Konzernen laut „Fortune“-Liste verweilen die Lenker im Schnitt weniger als vier Jahre. Oft wechseln sie in Aufsichtsräte, wo sie im Kreis von Kollegen vieles durchwinken. Kleinaktionäre aber können nicht kontrollieren. Damit, meint auch Hennerkes, sei die Gefahr einer Machtballung beim Chef in einer AG mit breit gestreutem Eigentum sogar größer als im Familienclan.

Freilich ist das Hauen und Stechen bei VW kein Einzelfall: Streit unter den Erben, betont Englisch, bedrohe viele Unternehmen. Dagegen empfiehlt er früh fixierte Spielregeln. Bewährt hätten sich „Familienverfassungen“, die etwa festlegen, welcher Erbe in der Firma was zu sagen hat – die Quelle der meisten familiären Fehden. (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2015)

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