Alibaba und die 40.000 Fälscher

File picture of the logo of Alibaba Group seen inside the company´s headquarters in Hangzhou
File picture of the logo of Alibaba Group seen inside the company´s headquarters in Hangzhou(c) REUTERS (ALY SONG)
  • Drucken

Ob Gucci, Louis Vuitton oder Yves Saint Laurent: Die Plattformen des weltgrößten Onlinehändlers Alibaba sind voller gefälschter Waren. Nun klagt die Konzernmutter der Luxusmarken.

Wien/New York. Ein einziger Buchstabe macht oft einen gewaltigen Unterschied. Wenn Chinesen auf einer der Onlineplattformen von Alibaba nach einer Handtasche von Gucci suchen, dann geleitet sie die hauseigene Suchmaschine nicht nur zu edlem Leder aus traditionsreichem italienischem Haus. Alternativ wird, weit vorn gereiht, „Guchi“ angeboten. Was, chinesisch ausgesprochen, genauso klingt. Die dort feilgebotene Ware sieht auch gleich aus. Aber sie ist eine Fälschung – und kostet dann, statt 795 Dollar im Original, bei Abnahme en gros nur lächerliche zwei bis fünf Dollar pro Stück.

Die Suche kann noch mehr: Wer Luxusmarken wie Louis Vuitton, Yves Saint Laurent, Balenciaga oder Bottega Veneta eintippt, dem schlägt der Algorithmus sogleich hilfreich ein ergänzendes „Nachahmung“ vor – und führt auch so auf krumme Abwege.

Gegen solche Praktiken hat nun die unternehmerische Mutter all dieser noblen Namen geklagt. Der Kering-Konzern des französischen Milliardärs und Kunstsammlers François Pinault wirft dem Onlinegiganten aus China vor, dass er „an Gaunereien beteiligt ist“, weil er den Verkauf „einer enormen Zahl“ an gefälschten Produkten „ermöglicht und bewusst fördert“ – und dabei sogar Firmen unterstützt, die offen bekunden, dass sie gefakte Güter anbieten.

Image in Gefahr

Die Unterstützung umfasse auch Finanzierungsangebote und Versandservice im Geschäft zwischen Hersteller, Grossist und Einzelhändler. Eingebracht wurde die Klage in New York. Dort, an der Wall Street, ist Alibaba seit September gelistet. Es war, mit Einnahmen von 21,8 Mrd. Dollar, der bisher größte Börsengang der Geschichte, wie es sich für den größten Onlinehändler der Welt gehört. Aber immer öfter mischt sich ein dritter, wenig schmeichelhafter Superlativ unter die Jubelmeldungen: Alibaba „ist berüchtigt als eine der größten Plattformen für gefälschte Güter weltweit“, klagt nicht nur der Verband der amerikanischen Textil- und Schuhproduzenten.

Die Vorwürfe sind also nicht neu. Kering wollte schon im vorigen Juli gerichtlich gegen Alibaba vorgehen, zog aber die Klage rasch wieder zurück, als die Chinesen Besserung gelobten. Weil diese nicht eingetreten ist, wird es nun ernst. Für Firmengründer Jack Ma kommt der Rechtsstreit zur Unzeit. Denn Meldungen darüber, dass sich auf seinen elektronischen Marktplätzen Kriminelle tummeln, schädigen das Image seines Lebenswerks und verschrecken Investoren.

Im Visier der Nomenklatura

Der Druck kommt nicht nur von den Herstellern der Originale. Auch Chinas Obrigkeit wirft ein strenges Auge auf den Konzern. Zwar pflegt das Management von Alibaba enge Beziehungen zur Spitze der kommunistischen Partei. Aber die politische Gunst ist nicht in Stein gemeißelt. Als ein Regierungsbericht Ende Jänner Alibaba vorwarf, zu wenig gegen Fälschungen und andere illegale Aktivitäten auf seinen Websites zu tun, brach der Kurs der Aktie um 15 Prozent ein.

Denn die Anleger wissen: Wer es sich als Unternehmer in China mit der Führung verscherzt, dessen erfolgreiche Tage sind gezählt. Der Börsengang im fernen New York schützt nicht vor Einflussnahme: Peking hat auch schon gelistete Firmen zum Rückzug von der Börse gezwungen.

Deshalb bemüht sich Alibaba durchaus, mit den Markenartiklern Frieden zu schließen. Was manchmal auch gelingt: Im Vorjahr lief ein Projekt mit 40 Produzenten, darunter Nike und Adidas. Gefälschte Schuhe, Uhren und Taschen verschwanden vom Auktionsmarkt Taobao, dem chinesischen eBay. 40.000 Verkäufer mussten Strafe zahlen. Nicht funktioniert hat die außergerichtliche Einigung mit Kering. Die Fronten sind nun verhärtet. Für den Beschuldigten hat die Klage „keine Basis“, er will sie „mit aller Macht bekämpfen“.

Freilich hat es Alibaba nicht leicht, sich in einem Markt wie China der Fälschungen zu erwehren. Denn von dort kommen sie her. Allein 2013 haben die Behörden 59.000 Fälscher festgenommen und 9000 Tonnen unechter Ware beschlagnahmt. Und Insider können erklären, warum gefakte Luxusware zuweilen schwer bis gar nicht von echter zu unterscheiden ist: Nicht selten kommt sie nämlich aus ein und derselben Fabrik.

DER ALIBABA-KONZERN

Alibaba ist der weltweit größte Online-Händler, noch vor Amazon und eBay. Die chinesische Firma wurde 1999 von dem Englischlehrer Jack Ma gegründet. Zu den Plattformen gehören Aliababa.com (für Geschäftspartner), Aliexpress und Tmall (Einzelhandel), Taobao (ein Online-Auktionshaus, ähnlich wie eBay) und das Bezahlsystem AliPay. Der Konzern hat 22.000 Mitarbeiter. Im September 2014 ging er an die Börse und ist nun an der Wall Street in New York gelistet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

File photo of people riding a double bicycle past a logo of The Alibaba Group at the company´s headquarters on the outskirts of Hangzhou
International

Harte Vorwürfe gegen Börsenliebling Alibaba

Die chinesischen Aufsichtsbehörden nehmen den Online-Händler wegen der angebotenen Fälschungen aufs Korn. Das belastet den Aktienkurs zusätzlich.
File photo of the logo of Alibaba Group inside the company's headquarters in Hangzhou
International

Taiwan fordert Alibaba zum Verlassen der Insel auf

Der chinesische Online-Riese trug sich als "ausländische Firma" ein. Für chinesische Firmen gelten in Taiwan schärfere Auflagen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.