Firmen-Ranking: Die Zukunft liegt nicht in Europa

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Von den 100 besten Börse-Unternehmen kommen 79 aus Schwellenländern oder den USA, aber nur 13 aus Europa. Sieger ist Infosys, in Österreich liegt Mayr-Melnhof vorn.

Wien. Woran erkennt man, wie gut ein börsenotiertes Unternehmen ist? Heerscharen von Analysten und Fondsmanagern glauben, die richtige Antwort parat zu haben. Sie suchen sie in Kennzahlen, im Gewinn und der Dividende. Die Schweizer Vermögensberater von CE Asset Management (CEAMS) werfen einen anderen Blick auf die Firmen, den des langfristigen Anlegers: Wie verzinst sich das eingesetzte Kapital? Wie zukunftsträchtig ist das Geschäftsmodell? Wie gut gerüstet sind sie gegen Krisen, durch die Strategie und das finanzielle Fundament? Ein betont konservativer Ansatz, der gerade deshalb weiter als üblich in die Zukunft blickt, über das turbulente Auf und Ab der Aktienmärkte hinaus.

Dieser weite Blick verheißt für Europa nichts Gutes: Von den 100 besten börsenotierten Firmen (aus einer Gesamtheit der rund 2500 größten weltweit) kommen nur 13 aus Europa. Und das liegt nicht etwa daran, dass es auf dem alten Kontinent nur wenig große, börsenotierte Unternehmen gäbe: Im Weltaktienindex MSCI steuern europäische Konzerne 24 Prozent der Marktkapitalisierung bei. Bei den Top 100 der Schweizer Berater sind es nur elf Prozent dieses Gesamtwertes. Was bedeutet das? Heute sind Europas Player mächtig und groß, aber die Zukunft liegt woanders – in den USA und den Schwellenländern, wo fast acht von zehn der „Besten“ zuhause sind.

Das ist ein denkwürdiges Resultat des aktuellen Excellence Award. Die Berater haben ihre Analyse nun zum zweiten Mal auf globaler Basis erstellt. Der „Presse“ liegt sie für Österreich exklusiv vor. Sieger ist heuer Infosys, der indische Anbieter von IT-Leistungen, die westliche Konzerne ins Billiglohnland auslagern. In der Globalisierung von Dienstleistungen sieht CEAMS-Mitgründer Philipp Weckherlin ein „Monsterthema, das uns in den nächsten drei Jahrzehnten massiv beschäftigen wird“. Die Software-Programmierer seien erst der Anfang. Es folgen etwa Spitäler und Krankenversicherungen, die Patientendaten auswärts verwalten lassen. Und weiter geht es mit Bankleistungen, Personalbuchhaltung, Kommunikation.

Freilich macht es die Systematik der Schweizer Forscher den europäischen Konzernen nicht leicht: Weil der Fokus in der Bewertung so stark auf der Rentabilität des eingesetzten Kapitals liegt, leuchten Branchen mit wenig Kapitalbedarf und hohen Margen stark heraus. Dazu zählt die IT- und Kommunikationstechnologie, bekanntlich die Achillesferse der europäischen Wirtschaft. Aber auch Einzelhändler, von denen es in Europa durchaus sehr erfolgreiche gibt. Sie sind aber oft nicht an der Börse gelistet – man denke an Ikea, Lidl oder Aldi. Schwer hat es die kapitalintensive traditionelle Industrie, wie die Maschinenbauer, auf die man in Deutschland so stolz ist. Aber Weckherlin verteidigt seinen Ansatz: „Gut ist, wer mit Ressourcen effizient umgeht.“ Auch Unternehmen in kapitalintensiven Branchen könnten in Europa erfolgreich sein, aber nur, wenn sie das Kapital möglichst „aus ihrer Wertschöpfungskette auslagern“. Das gelinge den weltoffenen Schweizern und Briten besser als Franzosen und Deutschen, „wo die Politik verlangt, dass Produktionen im Land bleiben“.

Ein Monster greift Red Bull an

Auch im Europa-Ranking gibt es einen neuen Sieger: Geberit hat H&M vom ersten Platz verdrängt. Non olet, denkt man dabei sogleich, denn die Schweizer sind groß im Geschäft mit Klomuscheln und Spülungen. Eine nur scheinbar unspektakuläre Firma. Denn „in der Beständigkeit liegt auch Wachstum und Kraft“, ist Weckherlin überzeugt. Und Österreich? Steuert mit Mayr-Melnhof – schon zum fünften Mal in Folge Landessieger – zumindest ein Unternehmen für die Top 100 bei, wenn auch nur auf Platz 73. Auch für den Kartonhersteller hat Weckherlin viel Lob parat: „Mit Familienhintergrund, diskret in einer Marktnische erfolgreich“ – und dort durch die geschickt verteilten Standorte bestens aufgestellt. „Damit sind die Markteintrittsbarrieren so hoch, dass andere nur sehr schwer reinkommen.“

Sorgen muss sich hingegen ein anderes heimisches Flaggschiff machen: Red Bull. Denn ausgerechnet der stärkste Konkurrent Monster ist laut Ranking das beste Unternehmen der USA. Der Zweite im Markt für Energiedrinks holt stark auf. Nicht nur die Schweizer prophezeien ihm, er werde in der nächsten Dekade Red Bull vom Thron stoßen. Was aber gar nicht so schlimm wäre, tröstet Weckherlin. Die Weisheit dahinter ist freilich älter als seine Vermögensberatung: „Konkurrenz belebt das Geschäft.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2015)

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