Griechenland: Spätestens am Freitag wird es ernst

(c) REUTERS (ALKIS KONSTANTINIDIS)
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Am 5. Juni muss Athen 300 Mio. Euro an den IWF überweisen. Premier Tsipras gibt dem Ausland prophylaktisch bereits jetzt die Schuld am eventuellen Scheitern seines Landes.

Brüssel. Wann ist eine Deadline keine Deadline? Dann, wenn sie nicht mit der EU-Kommission abgesprochen wurde – diese Ansicht vertrat jedenfalls die Brüsseler Behörde am gestrigen Montag im Zusammenhang mit Griechenland. Die x-te Verhandlungsrunde zwischen den Griechen und ihren internationalen Gläubigern war da bereits ergebnislos zu Ende gegangen – und Athen hatte die Gespräche vom Sonntag im Vorfeld zur Entscheidungsschlacht hochstilisiert. Doch wie eine Sprecherin der Kommission festhielt, gibt es für Griechenland nur eine einzige Frist: den 30. Juni. An diesem Tag endet das zweite griechische Hilfsprogramm. Sollten sich die Griechen bis dahin mit IWF, EU-Kommission und EZB nicht handelseinig werden, steht ihnen ab dem 1. Juli kein finanzielles Sicherheitsnetz mehr zur Verfügung. Und die Bereitschaft privater Geldgeber, dem bis über beide Ohren verschuldeten Land Geld zu leihen, ist enden wollend.

Die Verhandlungen sind mittlerweile so verfahren, dass die beteiligten Personen dazu übergegangen sind, mittels Zeitungsartikeln miteinander zu kommunizieren. Während (der deutsche) EU-Kommissar Günther Oettinger die griechischen Verhandler in einem Interview mit der „Welt“ zur Eile drängte, bezeichnete der griechische Ministerpräsident, Alexis Tsipras, in einem Gastbeitrag in der Sonntagsausgabe der französischen „Le Monde“ sein Land als „erstes Opfer“ einer neoliberalen Clique, die ganz Europa unter ihre Kontrolle bringen wolle. Wer sich nicht füge, werde laut Tispras „hart bestraft“ – mittels Austerität, Einschränkungen des Kapitalverkehrs und Zwang zur Einführung einer Parallelwährung zum Euro.

IWF will sein Geld zurück

Tsipras' Aussagen lassen sich als Versuch verstehen, die Deutungshoheit über die bevorstehenden Ereignisse zu gewinnen und die griechische Bevölkerung auf potenziell dramatische Maßnahmen vorzubereiten. Denn Griechenland geht in einem beängstigenden Tempo das Geld aus. Allein in den letzten zwei Tagen der vergangenen Woche wurden 800 Mio. Euro von den griechischen Konten abgehoben – in Erwartung eines möglichen Ausscheidens Griechenlands aus der Eurozone. Am kommenden Freitag muss Athen 300 Mio. Euro an den Internationalen Währungsfonds in Washington überweisen, und bis Monatsende werden noch zwei weitere Kreditraten von insgesamt 1,2 Mrd. Euro fällig. Bereits die letzte IWF-Tranche konnte Griechenland nur deswegen tilgen, weil es auf seine IWF-Sonderziehungsrechte (die interne Währungseinheit des Fonds) zurückgriff – gelinde ausgedrückt eine unorthodoxe Maßnahme. Und der IWF ist nicht der einzige Gläubiger Griechenlands, auch der Europäischen Zentralbank schuldet Athen Geld – im Juni sind es zwar nur knapp 300 Mio. Euro, doch im Juli werden insgesamt 4,2 Mrd. Euro fällig.

Das Ausmaß der Zahlungsverpflichtungen macht deutlich, dass Athen ohne ein drittes Hilfsprogramm nicht über die Runden kommen wird. Insgesamt rund 240 Mrd. Euro haben internationale Geldgeber den Griechen seit dem Ausbruch der Krise 2010 zur Verfügung gestellt – aus dem laufenden zweiten Programm sind noch 7,2 Mrd. Euro ausständig.

Das Problem ist nur, dass die griechische Links-rechts-Koalition nicht gewillt ist, an die Auszahlung des Geldes geknüpfte Bedingungen zu akzeptieren – Reformvorgaben werden von der Regierung in Athen in populistischer Manier als neoliberale Diktatur auf Kosten der Hilfsbedürftigen verunglimpft. Hinsichtlich der Umsetzung der Reformen war Griechenland ohnehin kein Musterschüler, doch seit Tsipras Ende Jänner ins Amt gewählt wurde, wurden bereits getätigte Zusagen – etwa was Privatisierungen und Pensionsreform anbelangt – rückgängig gemacht.

Weitere Verhandlungen

Wie es mit den Griechen weitergeht, ist offen. Am Montag wurde jedenfalls nicht verhandelt. Eine Gelegenheit zu Gesprächen auf oberster Ebene bietet der EU-Gipfel am 25. Juni, das nächste planmäßige Treffen der Finanzminister der Eurozone findet am 18. Juni statt – wobei ein außerordentliches Treffen der Euro-Gruppe gestern in Brüssel nicht ausgeschlossen wurde. Montagabend wollten die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, ihr französischer Kollege, François Hollande, sowie EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Rand ihres Treffens in Berlin über die leidige Causa Griechenland beraten.

Auf einen Blick

Im Juni stehen Athen Rückzahlungen an seine Gläubiger von insgesamt 1,8 Mrd. Euro bevor – 300 Mio. Euro fordert die Europäische Zentralbank zurück, den Rest schulden die Griechen dem Internationalen Währungsfonds. Noch schlimmer wird es im Juli: Die Fälligkeiten gegenüber der EZB summieren sich auf 4,2 Mrd. Euro, 450 Mio. Euro sollen an den IWF gehen. Ohne einen Nachlass – oder ein neues Hilfspaket – droht Griechenland spätestens dann die Zahlungsunfähigkeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2015)

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