Griechenland: Faymann, der „mächtigste Verbündete“ Athens

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AUSTRIA GREECE DIPLOMACY(c) APA/EPA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Österreichs Kanzler besucht den griechischen Premier Tsipras – als erster und einziger EU-Staatschef seit dem Syriza-Wahlsieg. Entsprechend rot ist der ausgerollte Teppich.

Athen/Wien. Doch keine Bildungsreise für Werner Faymann: Wegen der angespannten Situation in Griechenland, das gerade um seinen Verbleib in der Eurozone kämpft, wurde das Programm des Staatsbesuchs auf den Mittwoch zusammengestutzt. Ursprünglich wollte Österreichs Kanzler für mehrere Tage kommen, um sich ein Bild von der sozialen Lage zu machen. Nun bleibt es beim SOS-Kinderdorf, einem Spital, einer Kosmetikfirma und einem Gespräch mit Gewerkschaftern – als Rahmenprogramm für das Treffen mit Alexis Tsipras, dem Premier vom Radikalen Linksbündnis Syriza.

Es ist ein umstrittener Besuch. Denn Faymann kommt als erster EU-Staatschef seit Übernahme der Regierung durch die Koalition aus Syriza und den Rechtspopulisten von den Unabhängigen Griechen Ende Jänner. Es gibt auch kaum einen anderen EU-Staatschef, der so viel „Verständnis“ für den griechischen Wunsch nach einem Ende der Sparpolitik aufbringt. Wie Tsipras steht er auf dem Standpunkt, das „Kaputtsparen“ sei kontraproduktiv und verhindere Wirtschaftswachstum.

„Klima des Kalten Kriegs“

Faymann fordert eine „mittelfristige Absicherung“ Athens. Das ist Musik in den Ohren der griechischen Regierung, die in den letzten Tagen einem Sperrfeuer in ganz Europa ausgesetzt ist. Da tut es gut, wenn man den „guten Freund“ aus Österreich empfangen kann. In der Regierung bezeichnete man ihn gar als „mächtigsten Verbündeten Griechenlands in der EU“.

Der Besuch wird freilich schwer überschattet von der politischen Aktualität. Am Dienstag hielt Tsipras eine Rede vor der Syriza-Parlamentsfraktion. Dabei zeigte er sich um nichts weniger aggressiv als am Tag zuvor, als er meinte, die Europäer sollten „realistische Vorschläge“ machen. Stattdessen wolle man Griechenland demütigen und beharre aus politischem Kalkül auf unannehmbaren Forderungen. Damit griff er zurück auf eine Verschwörungstheorie, die besagt, dass die griechische Linksregierung den „neoliberalen Ambitionen“ dominanter Staaten zuwiderlaufe und gestürzt werden solle. Am Dienstag sprach der griechische Ministerpräsident sogar von einem „Klima des Kalten Kriegs“, das in den letzten Tagen entstanden sei. Sich selbst sieht er als einsamen Vorkämpfer für Demokratie in Europa.

Die Wirtschaft hat unter der politischen Unsicherheit stark gelitten. Eine Lähmung ist eingetreten, die nicht nur durch die schleichende finanzielle Austrocknung der Banken verursacht wird – die Guthaben von Unternehmen und Haushalten liegen derzeit bei 134Mrd. Euro, um 18 Milliarden weniger als auf dem Höhepunkt der Grexit-Diskussion im Sommer 2012. Auch die Handelspartner sind wieder misstrauisch geworden. Wie der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Griechenland, Gerd Dückelmann-Dublany, feststellt, beharren ausländische Firmen bei Geschäften seit Anfang des Jahres wieder auf Vorauskasse. Die Folge sind Versorgungsengpässe für bestimmte Güter, etwa Chemikalien für die Landwirtschaft.

In den knapp fünf Monaten seit Amtsantritt der Linkskoalition ist bislang noch kein klarer Wirtschaftskurs erkennbar. Ursprünglich sollten die meisten großen Privatisierungsprojekte gestoppt oder neu verhandelt werden. Doch nach den scharfen Reaktionen aus Europa hat man einen rhetorischen Rückzieher gemacht. Geschehen ist freilich gar nichts, weder in die eine noch in die andere Richtung.

Der österreichische Handel mit Griechenland spiegelt die verheerenden Folgen der Krise deutlich wider: Während 2008 mit Exporten von 753 Mio. Euro das beste Jahr in der Geschichte der Handelsbeziehungen zu verzeichnen war, stürzten die Ausfuhren bis 2013 auf 387Mio., also etwa die Hälfte. 2014 ging es mit 407 Mio. Euro wieder leicht aufwärts, was den allgemeinen Trend widerspiegelte.

Handel mit Österreich wächst

Dass der Handel mit Österreich auch im ersten Quartal zugelegt hat, ist aber eine Ausnahme – Griechenland steckt schon wieder in einer Rezession fest (siehe Artikel rechts). Traditionell stark ist Österreich bei Maschinen, Käse, Energydrinks, Papier und Medikamenten. Griechenland importiert nach Österreich nicht nur Schafskäse und Joghurt, sondern auch Aluminium – dank der eigenen Bauxit-Vorkommen ist das einer der wenigen international wettbewerbsfähigen Industriezweige.

Potenziell zukunftsträchtige Sparten im Mittelmeerland sind das „kleine“ Glücksspiel und Internetwetten, die nach Wunsch der Syriza-Regierung dem Fiskus in den nächsten Jahren hunderte Millionen Euro an Steuereinnahmen verschaffen sollen. In den kommenden Monaten sollen die Lizenzen für Internetwettanbieter ausgeschrieben und tausende Glücksspielautomaten in Spielhallen aufgestellt werden.

Interessante Entwicklungen gibt es auch im Abfallbereich. Das von einem Grünen geführte Umweltressort hat einen Plan zur Abfallbewirtschaftung erstellt, durch den – mit rund 15 Jahren Verspätung – Mülltrennung, Recycling und Kompostierung durchgesetzt werden sollen. Von EU-finanzierten Großanlagen zur Abfallbehandlung will man abgehen. Das könnte kleinen und mittleren ausländischen Firmen in diesem Bereich neue Chancen eröffnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2015)

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