Faymann auf Sonderkurs in Athen

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Schuldenkrise. Bundeskanzler Faymann stellte sich in Athen gegen die Linie der Europartner, die strenge Sparauflagen von Athen fordern, und möchte dem Land mehr Zeit geben.

Athen. Schon der Zeitpunkt des Staatsbesuchs in Athen machte es deutlich. Bundeskanzler Werner Faymann will, wie er selbst betonte, gegen den „Strom schwimmen“ in einer EU, in der seit 2008 viele Milliarden Euro ausgegeben worden seien, um „Finanzkreisläufe zu stabilisieren“, während in den Mitgliedstaaten, und speziell in Griechenland, die Sozialsysteme zusammenbrechen.

Er war der erste EU-Regierungschef, der nach der Wahl des griechischen Radikalen Linksbündnisses (Syriza) von Ministerpräsident Alexis Tsipras am Mittwoch Athen besuchte. Dabei signalisierte er den EU-Partnern, dass für ihn ein gemeinsames Europa, und eine Währungsunion, ohne Griechenland „nicht vorstellbar“ sei. Von einem Ultimatum und Vorbereitungen in anderen EU-Hauptstädten, in denen bereits offen über den Grexit, den Austritt Griechenlands aus der Eurozone, debattiert wird, distanzierte er sich. Man schulde Griechenland „Respekt und Solidarität“, forderte Faymann bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Tsipras. Er werde, auch im Gespräch mit Jean-Claude Juncker, dem Präsidenten der EU-Kommission, alles unternehmen, um den griechischen Positionen Gehör zu verschaffen.

Faymann schwimmt auch beim Zeitplan gegen den Strom. Während Berlin und Paris darauf drängen, an der Deadline Ende dieser Woche für einen Kompromiss zwischen den Kreditgebern und Athen festzuhalten, signalisierte Faymann, dass der griechischen Regierung noch mehr Zeit gegeben werden müsse. Nicht die Sitzung der Euro-Gruppe am heutigen Donnerstag, auch nicht das Wochenende, sondern das Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs am 25. Juni sei als Endpunkt der Verhandlungen zu betrachten. Bis dahin müsse eine Vereinbarung für den Abschluss des laufenden Programms, das die Auszahlung der letzten Kredittranche von 7,2 Mrd. Euro an Athen ermöglicht, fixiert werden. In Folge sei aber auch ein mittelfristiges Hilfsprogramm in der Dauer von drei bis fünf Jahren notwendig. Damit soll dem Land „genügend Zeit“ gelassen werden, die notwendigen Reformen durchzuziehen, ohne monatliche Verhandlungen über die nächste Kredittranche führen zu müssen. Die Frage freilich, ob der österreichische Finanzminister in der Euro-Gruppe seiner Linie folgen werde, beantwortete er nicht.

Faymann kritisierte die Forderungen der Kreditgeber. Die Kürzung von Mindestpensionen könne keinen gangbaren Weg darstellen. Vielmehr steht er auf dem Standpunkt, dass man sich „aus der Krise herausinvestieren“ müsse. Da war er einer Meinung mit Tsipras, der dem österreichischen „Freund“ für seine Hilfe dankte. Der Linkspolitiker versicherte erneut, dass Griechenland den Gläubigern einen „vollständigen Vorschlag“ für ein Spar- und Reformpaket unterbreitet habe, dass man als „souveräner Staat“ aber darauf beharre, selbst zu entscheiden, wo man sparen werde. Er spielte damit auf die Forderungen der Gläubiger an, massiv im Pensionssystem einzusparen. Er bekräftigte, dass er keine Mindestpensionen kürzen werde und meinte, dass nach dem Vorschlag seiner Regierung erst ab 2016 schärfere Bestimmungen für Frühpensionen zu Buche schlagen würden. Als Beispiel für ein ausgewogenes Sozialsystem nannte er die Ära Kreisky in Österreich.

Kritik von Christdemokraten

Faymanns Besuch wurde von den Europartnern aufmerksam verfolgt. Während sich die Regierungschefs mit Bewertungen zurückhielten, kam Kritik von Parlamentariern. Der Vizefraktionschef der deutschen Unionsparteien, Hans-Peter Friedrich, zeigte sich über die Positionen des österreichischen Regierungschefs verwundert. „Es ist ein weiterer Beweis für die Unfähigkeit und Konzeptlosigkeit der Akteure, wenn sich keiner mehr an vereinbarte Regeln und Verfahren hält“, so der CSU-Politiker. ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament, Othmar Karas, kritisierte: „Es geht nicht darum, ob der Kanzler Verständnis für die schwierige Lage Griechenlands hat, sondern ob in Europa die gegenseitigen Verpflichtungen eingehalten werden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2015)

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