Eurokrise: Plauderstunden mit Alexis Tsipras

Freundschaftlich legt Kommissionschef Juncker den Arm um Griechenlands Premier Tsipras – doch eine Einigung steht auch nach dem Sondertreffen aus.
Freundschaftlich legt Kommissionschef Juncker den Arm um Griechenlands Premier Tsipras – doch eine Einigung steht auch nach dem Sondertreffen aus. REUTERS
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Entscheidende Woche für Griechenland beginnt in alter Manier: Mangels konkreter Vorschläge aus Athen können die Euro-Finanzminister kein grünes Licht für die Rettung des Landes geben.

Brüssel. Es hätte der lang herbeigesehnte Befreiungsschlag werden sollen, stattdessen gab es nur den üblichen Ärger: Die Finanzminister der Eurozone waren nur vier Tage nach ihrem regulären Treffen in Luxemburg am Montag nach Brüssel beordert worden. Dort hätten sie die jüngsten griechischen Vorschläge zur Sanierung des Landes begutachten sollen. Doch auch am Montag konnten sie wieder einmal kein grünes Licht für die Rettung des hoffnungslos überschuldeten Euromitglieds geben – in Ermangelung eines überprüfbaren Angebots aus Athen.

Gänzlich mit leeren Händen sind die griechischen Unterhändler allerdings nicht nach Brüssel gekommen. Nach mehreren Anläufen, die in Ratskreisen für Verwirrung gesorgt hatten, lag am Montag ein neues Kompromissangebot der Links-rechts-Regierung von Premier Alexis Tsipras vor. Dem Vernehmen nach geht es dabei um Einsparungen im Gesamtumfang von 2,69 Mrd. Euro im laufenden Jahr und 5,2 Mrd. Euro 2016. Das Paket umfasst unter anderem Kürzungen bei Frühpensionen und höhere Pensionsbeiträge (insgesamt 2,0 Mrd. Euro 2015 und 2016), eine Sondersteuer auf Unternehmensgewinne über 500.000 Euro sowie Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuer.

Den Finanzministern war das Angebot allerdings nicht konkret genug – aus dem Stab des österreichischen Finanzministers, Hans Jörg Schelling, hieß es am Nachmittag, man vermisse nach wie vor einen verbindlichen Fahrplan für Reformen. Nach knapp eineinhalb Stunden stand fest: Das Gremium kann keine abschließende Bewertung der griechischen Position abgeben. Griechenlands Geldgeber – EU-Kommission, Internationaler Währungsfonds und Europäische Zentralbank – müssen nun einen neuen Lagebericht erstellen. Die Unterlagen, die griechische Verhandler mitgebracht hatten, seien eine „gute Arbeitsgrundlage“ für weitere Bemühungen, sagte EU-Währungskommissar Pierre Moscovici. Die Euro-Finanzminister werden daher aller Voraussicht nach am Mittwoch oder Donnerstag neuerlich über Griechenland debattieren müssen.

Auch Ratspräsident Donald Tusk, der für Montagabend einen Sondergipfel der Euromitglieder zur Lage in Griechenland einberufen hatte, sprach von „ersten echten Vorschlägen“ Athens seit Wochen. Dass der Gipfel nichtsdestotrotz als Kaffeeplausch angelegt war, lag daran, dass die Staats- und Regierungschefs ihrem Kollegen Tsipras bereits im Vorfeld signalisiert hatten, dass es einer Einigung auf Expertenebene bedürfte, um einen politischen Ausweg aus der verfahrenen Lage zu finden.

„Keine Entscheidungsgrundlage“

Angela Merkel vermied es, überhöhte Erwartungen zu wecken. Es liege „keine Entscheidungsgrundlage“ vor, man komme in Brüssel lediglich zu einem „Beratungsgipfel“ zusammen. Überhaupt gebe es bis Ende der Woche „noch viele Tage Zeit, um gegebenenfalls Entscheidungen zu treffen“, sagte die deutsche Bundeskanzlerin – was wohl bedeutet, dass der reguläre EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag, bei dem es eigentlich um die Flüchtlingspolitik und Großbritannien gehen sollte, von der Griechenland-Krise überschattet werden dürfte.

Fragt sich nur, ob an den Finanzmärkten die Sicht Merkels geteilt wird. In der vergangenen Woche haben die Griechen sechs Mrd. Euro von ihren Konten abgehoben – den griechischen Banken droht das Geld auszugehen. Merkel will ein Ausscheiden des Landes aus der Eurozone verhindern – auch um Russland kein Einfallstor nach Europa zu bieten. Am Montag trugen die Griechen die Verlängerung der Russland-Sanktionen mit – ob sie dies auch nach einem Grexit tun würden, steht in den Sternen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2015)

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