Aus Liebe zum Gelato

Eisstand - ice cream
Eisstand - ice cream(c) www.BilderBox.com (www.BilderBox.com)
  • Drucken

Das Mekka für Speiseeis-Fans liegt in Anzola, nahe der Gourmetstadt Bologna. Aus aller Welt pilgern sie zur Universitá del Gelato, der ersten und einzigen Eis-Universität der Welt. Über die hohe Kunst der Eiscreme-Zubereitung.

Hussain aus Sri Lanka will einen eigenen Eissalon in seiner Heimat einrichten. Er hat drei Jahre in einer Eisdiele in London gearbeitet, der Inhaber kam aus Neapel. Er weiß schon genau, welches Gelato er in seinem Land anbieten möchte: „Mit Gewürzen wie Chili oder Zimt. Wir lieben Gewürze!“, sagt er.

Jacky, Kunstlehrer aus Kalifornien, ist Anhänger der Slow-Food-Bewegung. Im Land der industriellen Ice-Cream will er künftig ein europäisches Qualitätsprodukt herstellen.

Zwei Geschichten, eine Leidenschaft. Und beide besuchen gerade die Universitá del Gelato. Das ist die weltweit einzige Eis-Universität mit Hauptsitz in Anzola. Mit Kursen allerdings auf der ganzen Welt. 20 internationale Dozenten lehren von Wien über Dubai bis Buenos Aires die köstliche Kunst des Glacemachens.

Im letzten Jahr besuchten 6000 Personen aus aller Welt die Gelato-Universität, die Eismaschinen-Hersteller Carpigiani im Jahr 2003 gegründet hat. Und sie lernen dort nicht nur alles über die Eisproduktion. Auch der chemische Aufbau von Lebensmitteln, Hygiene und der Businessplan einer Gelateria gehören zum Lernpensum.

So ziemlich alles ist möglich: Vom dreitägigen Anfängerkursen bis zu Master-Lehrgängen reicht das Angebot an der Universität, und die Nachfrage ist enorm. In den Jahren der Wirtschaftskrise in Italien ist die Zahl der Kursteilnehmer nicht etwa gesunken. „Im Gegenteil: Die Krise hat Eigeninitiativen und Erfindungskraft umso mehr geschärft. Viele Menschen wollen oder müssen sich selbstständig machen. Eis zu produzieren ist ein guter Weg, um sich neue Berufsmöglichkeiten zu erschließen“, sagen die Verantwortlichen der Universität.

Oft möchten die Schüler eigene Eisdielen eröffnen und hoffen auf eine neue Existenz als Eismacher. Andere wollen in ihrer Konditorei auch Eis anbieten. Viele kommen aber auch aus branchenfremden Bereichen. Mancher träumt in der Midlife-Crisis von einer neuen Karriere, andere Kursteilnehmer haben ihren Job verloren und suchen nach einer neuen Startmöglichkeit.

Die Lektion Nummer eins an der Eis-Universität klingt einfach, ist aber von entscheidender Bedeutung. Nämlich: Gelato ist kein Eis. Das italienische Speiseeis hat eine viel höhere Qualität als normale Eiscreme. Im Eis selbst ist weniger Luft eingeschlossen, dafür sind mehr Geschmacksstoffe enthalten. Ins Gelato gehören nur hochwertige Naturprodukte wie Milch, Sahne, Zucker, Nüsse oder Früchte, es hat weniger Fett und Kalorien als Ice Cream. Das Wichtigste jedoch ist die Temperatur: Das italienische Eis wird mit höherer Temperatur serviert als Eiscreme, daher hat es einen viel cremigeren Geschmack.

Der Maestro. „Gelato ist ein Kulturprodukt, ein Stück italienischer Lebensart, das um die Welt geht und hohen Standards entsprechen muss“, erklärt Gelatiere Luciano Ferrari, den hier in Anzola alle Maestro nennen. Er bringt Kursteilnehmern bei, Eis nach eigenen Rezepten zuzubereiten. Früchte werden zerkleinert, Zucker abgewogen.

Gelehrt wird aber auch, wie eine Glacemaschine zu bedienen und korrekt zu reinigen ist.

Und die Kosten? 4500 Euro kostet ein vierwöchiger Ausbildungskurs, der Kursteilnehmern auch ein Praktikum in einer Eisdiele anbietet. Für eine Einrichtung zur Herstellung von Eiscreme muss man ab 120.000 Euro investieren. Dennoch sind die Voraussetzungen günstig: Der Verkauf von Gelato mit geschätzten Herstellungspreisen von fünf bis acht Euro je Kilogramm und Verkaufspreisen von mehr als 15 oder 18 Euro je Kilogramm bietet attraktive Gewinnspannen. Die Produktion des italienischen Gelato lockt mit einem weiten Spektrum für kulinarische Kreativität, und das Geschäft boomt weltweit. Eis, einst ein Privileg der Könige und später ein Luxus für Reiche, ist inzwischen längst ein Massengenuss. Doch wer Qualität zu schätzen weiß, sucht, wo immer er sich auch befindet, echtes italienisches Gelato.

Italien ist das Land der Eisdielen, davon gibt es rund 37.000 im Land, weltweit sind es 100.000. Allein in Wien gibt es rund 150 Salons, jeder dritte davon ist eine italienische Eisdiele.

Das bestätigt auch Silvio Molin Pradel, Obmann der Berufsgruppe der Eissalons in der Wirtschaftskammer. Der Norditaliener, Eigentümer des bekannten Italienischen Eissalons auf dem Schwedenplatz in Wien, produziert Eis in der fünften Generation.

Seit 1886 stellt die Familie Molin Pradel in Wien Eis her. Molin Pradels Berufsgruppe achtet darauf, dass die rund 100 Mitglieder Qualitätsstandards erfüllen. „Wir drängen darauf, dass die hohe Kunst der Eisherstellung nach alter Tradition erfolgt. Die Industrie macht Druck, damit auch bei der Gelato-Produktion immer mehr fertige Mischungen verwendet werden. Das zerstört das Handwerk, wogegen wir uns wehren,“ berichtet Molin Pradel.

Tradition verbindet sich bei den italienischen Eisherstellern mit Innovation und Experimentierfreude. In Sachen Eistrends geht es heuer stark um vegane Sorten – viele Eissalons bieten bereits eine breite Palette an. „Eigentlich sind wir ja seit 1850 vegan, denn jedes Sorbet ist vegan. Wir liegen seit 150 Jahren im Trend“, meint der Berufsgruppenobmann. Aber jetzt entwickle man Sorten speziell für diese Kundschaft. Daneben bleibe biologisches Eis immer noch ein wichtiges Thema, denn hier seien die Österreicher besonders sensibel.

Heikel ist übrigens auch die Sache mit dem Wetter. Heiße Temperaturen sind für das Eis-Geschäft genauso kontraproduktiv wie Regentage. Molin Pradel weiß es am besten: „Die ideale Temperatur für den Eisgenuss liegt zwischen 25 und 30 Grad.“

Italiens Eis-Industrie

700 Millionen Euro
Umsatz macht die Branche pro Jahr.

63 Prozent
Exportanteil erzielt die italienische Eismaschinen-Industrie.

6000 Studenten
zählt die Universitá del Gelato jedes Jahr.

Zahlen

380Eissalons gibt es in Österreich. Allein in Wien sind es 150.

8Liter Eis genießt der Österreicher im Durchschnitt jedes Jahr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.