Griechen-Votum: ''Wenn dich jemand schlägt, sagst du Ja?''
Heute entscheiden die Griechen, ob sie den Reformforgaben der Geldgeber zustimmen. Der Ausgang der Wahl ist noch völlig offen.
30.12.2016 um 15:56
Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hat es bereits getan: Im Blitzlichtgewitter hat er am Sonntagmorgen beim Referendum seine Stimme abgegeben. Dass er ein "Nein" angekreuzt hat, ist kein Geheimnis. Bis um 18 Uhr die Wahllokale schließen, werden es ihm noch zahlreiche Griechen gleichtun. Wie die Volksabstimmung ausgehen wird, ist noch völlig unklar.
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"Man kann den Willen einer Regierung ignorieren, aber nicht den Willen eines Volkes", sagte der linksgerichtete Regierungschef am Sonntag bei der Stimmabgabe. "Ich bin sicher, dass wir einen neuen Weg öffnen werden für alle Völker Europas", so der Premier.
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Die Griechen stimmen am Sonntag darüber ab, ob sie im Gegenzug für weitere Finanzhilfen die Spar-und Reformauflagen der internationalen Geldgeber akzeptieren.
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EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat die griechischen Bürger am Sonntag noch ein letztes Mal vor einem "Nein" beim Referendum über die Sparpolitik gewarnt. Dies sei eine Grundsatzfrage über die Zukunft der Eurostruktur, sagte Schulz im Interview der Woche des Deutschlandfunk. "In dem Moment, wo jemand eine neue Währung einführt, tritt er aus der Eurozone aus", so Schulz.
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In Griechenland herrscht Ausnahmezustand: Die Banken sind größtenteils geschlossen, Hamsterkäufe nehmen zu. An der Börse in Athen findet bereits seit Tagen kein Handel statt. Die internationalen Geldgeber wollen erst nach dem Referendum wieder mit der Regierung verhandeln. Viele Griechen sehen das Referendum als Abstimmung über den Verbleib in der Eurozone.
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"Beide Antworten werfen echte Probleme auf, aber ein Nein sendet eine starke Botschaft an die Europäer", meint Theodoros Desos. Der etwa 50-Jährige glaubt, dass der Urnengang Hälfte-Hälfte für Ja und Nein ausgehen wird. So oder so gebe das Volk ein Mandat für das weitere Vorgehen. "Es ist besser, wenn gewählte Politiker entscheiden, nicht irgendwelche Beamte", sagt er.
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Einige sehen die Abstimmung als Votum gegen die Regierung von Premier Tsipras. "Ich glaube, es wird ein Ja werden", sagt Tryphon. Der Mittdreißiger glaubt, dass eine Zustimmung besser für das Land wäre. "Die Regierung hat systematisch gelogen in den letzten sechs Monaten. Wir vertrauen ihnen nicht."
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Viele Nein-Wähler nennen hingegen das Verhalten Europas als Motiv. "Wenn jemand dich schlägt, sagst du dann ja?", fragt der Pensionist Yanis, der mit seiner Frau Iliana zur Urne gekommen ist. "Ich bin sicher, es wird viel Druck aus Europa geben, aber es ist besser, für zwei, drei, fünf Monate Probleme zu haben, als sich seiner Freiheit für immer unsicher zu sein."
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Nicht nur in Griechenland, auch in anderen europäischen Ländern gingen die Menschen am Samstag noch einmal auf die Straße, um gegen die Sparvorgaben der Gläubiger zu protestieren. Etwa im EU-kritischen Großbritannien ...
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... oder auch in Portugal. Auch Anleger zittern der Entscheidung nervös entgegen. Die Kurse an Europas Börsen schwankten so stark wie seit Oktober nicht mehr. Auf ein "Ja" am Sonntag werden die Finanzmärkte nach einhelliger Meinung der Strategen und Börsianer erleichtert reagieren.
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In Griechenland humpelt unterdessen eine junge Frau, die sich als Lida vorstellt, die Stufen zum Wahllokal hinauf. Der Gang bereitet ihr wegen einer Beinverletzung sichtlich Schmerzen, aber das "Nein"-Stimmen war ihr wichtig, sagt sie. Was ihr Votum für sie bedeutet? "Freiheit."
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