Berlin: Zwischen Spreeufer und DDR-Chic

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Die deutsche Hauptstadt ist eine riesige Spielwiese für Immobilienkonzerne und Investoren. Kaum eine europäische Metropole ist so gestaltbar wie Berlin.

Wohnen wollten hier alle, das war klar. Fernwärmeheizung, geflieste Bäder, Warmwasser, Balkone, Aufzüge, Einbauküchen, Müllräume, zentralste Lage, luftige 90 Pfennig pro Quadratmeter Miete. Aber bekommen haben diese feinen Appartements freilich nur ausgewählte Bürger: die Nomenklatura der DDR, prominente Zeitgenossen, verdienstvolle Arbeiterfamilien, zufällig Privilegierte. Die Ostberliner Prachtmeile Stalinallee, später Karl-Marx-Allee, war ein Vorzeigeprojekt, wie sozialistisches Wohnen funktionieren sollte. Bis heute hat sich an den Bauten im sogenannten sowjetischen Zuckerbäckerstil wenig verändert. Wer heute hier wohnt, wohnt also in einer historischen Sphäre. Und das post-sozialistische Zeitalter erlaubt sogar, dass mit den „Palästen der Arbeiter“ spekuliert wird – was nicht einer gewissen Ironie entbehrt.

So können etwa eine Reihe von Wohnungen am Strausberger Platz, in dem vom DDR-Architekten Hermann Henselmann gestalteten hübschen Baukomplex, gekauft werden. Der Anbieter, die Skjerven Group, wirbt mit der historischen Vergangenheit („DDR limited“) sowie der zentralen Lage der Wohnungen. Mit Designermöbeln aufgemotzter sozialistischer Chic passt schließlich auch zum sehr eigenen Ambiente in der deutschen Hauptstadt.

Berlin, die Stiefschwester der europäischen Hauptstädte, wurde von den Zeitgenossen geschichtsbedingt erst spät entdeckt. Nun aber wächst die Stadt unaufhörlich und ist eine riesige Spielwiese für (internationale) Investoren und Immobilienkonzerne. Die Stadt ist weitläufig, bietet viel Baugrund und Grünflächen. Welche europäische Metropole kann das schon von sich behaupten? Während also die Kreativen und Nonkonformisten am Stausberger Platz fündig werden, bewegt sich die Buwog eigenen Angaben zufolge im mittleren und gehobenen Preissegment (ohne Luxusimmobilien). Seit geraumer Zeit schon setzt das österreichische Unternehmen verstärkt auf den (nord-)deutschen Markt und will hier „zügig“ weiter wachsen, wie es heißt. Künftig will die Aktiengesellschaft statt bisher 150 Wohnungen 500 bauen. Dieser Tage etwa wurde die Gleichenfeier für das Projekt „Uferkrone“ begangen: 198 Wohnungen direkt am Spreeufer und einige Minuten von der Köpenicker Altstadt entfernt. Der Verkaufspreis wird zwischen 2260 und 4800 Euro pro Quadratmeter betragen – bei einem Investitionsvolumen von knapp 70 Mio. Euro.

Mieten steigen. Abgesehen vom Neubau trägt der Erwerb von bestehenden Wohngebäuden zum Expansionskurs der Buwog bei. In den nächsten drei Jahren will der Konzern 40.000 Wohnungen in Deutschland besitzen, dabei ist ein jährlicher Zukauf zwischen 3000 und 4000 Wohnungen geplant. Vor rund fünf Jahren etwa hat die Buwog eine Wohnanlage aus den 1930er-Jahren in Berlin-Tempelhof mit 161 Einheiten gekauft und saniert. Damit stieg auch die Miete pro Quadratmeter von fünf auf 7,16 Euro. In Tempelhof im gut erreichbaren Süden der Stadt tut sich derzeit ohnehin viel. Seit der Stilllegung des Flughafens und der damit einkehrenden Ruhe sind die Preise in die Höhe geschnellt. Das ehemalige Flugfeld ist nun der größte Park und Erholungsgebiet der Stadt. In anderen Worten: Wer hier Immobilien kauft oder besitzt, wird sehr schnell Mieter oder Käufer finden.

Das rege Treiben auf dem Berliner Wohnungsmarkt schlägt sich freilich auch auf die Mietpreise nieder. Nach wie vor gilt aber, dass die Mieten im europäischen Vergleich niedrig sind. Wie die Augsburger Patrizia Immobilien AG vorrechnet, kostet eine Drei-Zimmer-Wohnung in London monatlich etwas über 3200 US-Dollar, in Dublin knapp über 1500 Dollar, in Lissabon und Berlin knapp 1100 und nur in Madrid rund 1000 Dollar. Zwischen 2004 und 2015 sind die Mietpreise in Berlin von über sieben Euro pro Quadratmeter auf knapp zwölf Euro gestiegen. Erwartet wird ein weiterer Anstieg zwischen 2,5 und drei Prozent in den kommenden fünf Jahren.

Berlins Problem bleibt, dass – trotz der vergleichsweise niedrigen Lebenserhaltungskosten – nicht in dem Maße gebaut wird, wie die Stadt wächst. Und: die Zuzügler teilen sich nicht gleichmäßig auf die Stadt auf. Die Trendbezirke und die Innenstadt bleiben weiterhin in der Beliebtheitsskala ganz oben, während die von Plattenbauten geschmückten Gegenden wie Marzahn oder Hohenschönhausen unberührt bleiben. Kaum ein Immobilienentwickler hat den Weg hierher gefunden. Noch. Wenn der Berlin-Trend anhält, wird die Masse auch irgendwann weiter in den Osten ziehen. Was die Karl-Marx-Allee kann, kann die Platte wohl auch. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist die Gegend jedenfalls gut zu erreichen. An die hier sehr eigene Stimmung müsste man sich halt gewöhnen.

Selbst aus dem Berliner Luxussegment ist originellerweise von niedrigen Preisen zu hören. Quadratmeterpreise über 15.000 Euro (Berlin-Mitte) sind hier die Norm. Ein knapp 200 Quadratmeter großes Penthouse in Prenzlauer Berg etwa ist für rund 1,5 Mio. Euro haben. Die Luft nach oben ist in diesem Segment freilich offen.

Preisbremse. Was die Immobilienentwickler auch einkalkulieren müssen: Berlin hat traditionell mehr Mieter als Eigentümer. Weil der Markt in den vergangenen Jahren quasi explodiert ist, hat der Senat die Mietpreisbremse beschlossen, die seit dem 1. Juni gilt. So dürfen etwa Wohnungen bei einem Mieterwechsel nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete kosten. Damit sollen auch die Mieten bei nicht preisgebundenen Wohnungen gehemmt werden. Nur: Für den Neubau gilt das nicht. Die Investoren wird das freuen, wiewohl eine Unsicherheit spürbar sei, heißt es in der Branche. Bisher hatten die Mietpreisbremse und die lange Diskussion darüber jedenfalls keine Auswirkungen auf die Mietpreise.

Berlin

Die deutsche Hauptstadt ist mit knapp 900 Quadratkilometern neun Mal so groß wie Paris – bei 3,4 Millionen Einwohnern. Der Nettozuzug in die Stadt beträgt jährlich 40.000. Prognosen zufolge wird nicht in dem Maße gebaut, wie es nötig wäre. Die Mieten werden in den nächsten fünf Jahren schätzungsweise zwischen 2,5 und drei Prozent steigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2015)

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