Entwicklung: Weltbank stellt neue Standards vor

(c) EPA (MICHAEL REYNOLDS)
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Von der Weltbank finanzierte Projekte sollen künftig noch strengere soziale und ökologische Vorgaben erfüllen müssen. NGOs protestieren trotzdem.

Washington/Wien. Wenn die Weltbank nach zwei Jahrzehnten ihre „Schutzrichtlinien“ ändert, ist das ein einigermaßen komplexes Unterfangen. In zwei umfangreichen Runden hat sie einen neuen Entwurf für jene sozialen und ökologischen Kriterien diskutieren lassen, nach denen sie künftig Darlehen für Infrastrukturprojekte vergibt.

Ureinwohner wurden dazu ebenso konsultiert wie Experten für die Wahrung des Kulturerbes oder die Nichtdiskriminierung von Homosexuellen, Vertreter der Weltgesundheitsorganisation und der UN-Hochkommissar für Menschenrechte. Bevor es nun in eine dritte Runde der Beratungen geht, gewährt die Entwicklungsbank mit Sitz in Washington einen Einblick in den Stand der Entwürfe – und bietet damit Nichtregierungsorganisationen einen Anlass, die Vorschläge lauthals zu kritisieren.

Erstmals finden sich in dem neuen Katalog nun detaillierte arbeitsrechtliche Anforderungen: Der Kreditnehmer muss sich verpflichten, die Bildung von Gewerkschaften zuzulassen und Löhne kollektiv zu verhandeln. Dazu kommen Anforderung an die Sicherheit am Arbeitsplatz und das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit. Besonders umstritten ist seit jeher die Möglichkeit, Anwohner für ein Projekt – etwa den Bau eines großen Staudamms – gegen ihren Willen umzusiedeln. Das gilt zwar bei der Weltbank schon seit Langem als verpönt, kam aber bei einigen Projekten laut internen Prüfungen dennoch weiterhin vor. Hier soll es nun strengere Regeln geben; die Formulierung bleibt aber etwas zweideutig.

Kein „Ablass“ für Schäden

Klarer erscheinen die Änderungen in Sachen Ökologie: Entschädigungszahlungen für Eingriffe in die Biodiversität dürfen nur mehr ein „letztes Mittel“ sein, wenn alle Möglichkeiten zum Schutz der Umwelt ausgeschöpft sind. In manchen Fällen sollen diese „Ablässe“ ganz verboten werden.

Neu sind auch Anforderungen in Bezug auf den Klimawandel: Jedes Projekt muss eine CO2-Bilanz vorweisen und Maßnahmen für weniger Treibhausgasemissionen enthalten. Insgesamt hält die Weltbank den Entwurf für einen „großen Schritt nach vorn“.

Bei Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen stößt der Entwurf aber auf Ablehnung: Keine Verbesserung, sondern ein „gefährlicher Rückschritt“ seien die Pläne, heißt es einer gemeinsamen Erklärung von 19 NGOs, darunter Oxfam und Amnesty International. Die Regelungen würden „den Schutz für betroffene Gemeinden und Umwelt deutlich schwächen“. Genauere Begründung für die Kritik gibt es aber nicht. Die Weltbank ist seit jeher ein rotes Tuch für Globalisierungsgegner und viele Umweltschützer. Daran haben auch Reformen, aufwendige Kontrollen der Projekte und mehr Transparenz wenig geändert. Was sich sehr wohl geändert hat: Die Weltbank ist nicht mehr ein Monopolist, wenn es um Geld für teure Infrastruktur in armen Staaten geht.

Durch die Schwellenländer, vor allem China, ist ihr Konkurrenz entstanden. Damit ist nicht jede Verschärfung der Regeln für die Kreditvergabe ein echter sozialer oder ökologischer Fortschritt. Sie kann auch dazu führen, dass sich Regierungen anderen Geldgebern zuwenden, die ihnen keinerlei Vorgaben dieser Art machen. (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2015)

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