Eine zweite Brücke für Athen

Christine Lagarde Angela Merkel Wirtschafts und Finanzorganisationen DEU Deutschland Germany B
Christine Lagarde Angela Merkel Wirtschafts und Finanzorganisationen DEU Deutschland Germany B(c) imago/IPON (imago stock&people)
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Ein weiterer Überbrückungskredit soll den europäischen Geldgebern Griechenlands genug Zeit geben, um den IWF umzustimmen.

Washington/Berlin/Wien. Die griechische Schuldenkrise ist reich an Deadlines, die im Vorfeld als endgültig bezeichnet und anschließend ohne viel Aufhebens ignoriert wurden. Ähnlich dürfte auch mit der jüngsten allerletzten Frist für das überschuldete Mitglied der Eurozone umgegangen werden – dem 20. August. An diesem Tag müssen die Griechen gut drei Mrd. Euro an die Europäische Zentralbank überweisen. Da Athen das Geld nicht hat, werden die Geldgeber Griechenlands nolens volens einspringen müssen – die für ihr finanzielles Entgegenkommen (es geht um ein umfassendes Hilfsprogramm in der Größenordnung von 82 bis 86 Mrd. Euro) von der griechischen Regierung verbindliche Reformzusagen verlangen.

Bis dato war man in Brüssel davon ausgegangen, dass die Verhandlungen über die Modalitäten des Hilfspakets vor dem 20. August abgeschlossen werden – damit der Euro-Rettungsschirm ESM die erste Tranche des Hilfskredits nach Athen rechtzeitig überweisen kann, sodass die Griechen ihren Zahlungsverpflichtungen an die EZB nachkommen können. Doch mittlerweile mehren sich die Anzeichen dafür, dass die europäischen Geldgeber Griechenlands es nicht mehr so eilig haben. Wie die „Bild“-Zeitung in ihrer gestrigen Ausgabe unter Berufung auf deutsche Regierungskreise vermeldete, geht man in Berlin davon aus, dass die Verhandlungen mit Athen nicht vor dem 20. August abgeschlossen werden können. Es seien noch viele Fragen im Reformpaket ungeklärt, zitierte die „Bild“ einen hochrangigen Regierungsvertreter – und zwar aufgrund der Tatsache, dass die griechische Links-rechts-Regierung von Premier Alexis Tspiras versuche, wichtige Gesetzesbeschlüsse (etwa im Pensionssystem) bis zum Herbst hinauszuzögern.

IWF will nicht mehr mitmachen

Inwieweit die deutschen Vorwürfe zutreffen, lässt sich nicht eruieren. Allerdings spricht einiges dafür, dass es Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht so sehr um Alexis Tsipras geht, sondern um Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds. Der IWF hat an den ersten zwei Hilfsprogrammen für Griechenland teilgenommen und insgesamt 32 Mrd. Euro eingesetzt. Doch vergangene Woche haben Experten des Währungsfonds ihren Eigentümern (dem IWF gehören 188 Staaten an) empfohlen, beim dritten Hilfsprogramm für Griechenland nicht mitzumachen – und zwar aus zwei Gründen: Erstens glaubt der IWF nicht daran, dass die Regierung von Tsipras in der Lage ist, die geforderten Reformen auch tatsächlich umzusetzen. Und zweitens hält der Fonds die griechische Staatsverschuldung (derzeit gut 170 Prozent des BIPs) für zu hoch und fordert einen Schuldenschnitt als Bedingung für sein weiteres Engagement.

Wie es der Zufall so will, dürfte das Führungsgremium des IWF die Entscheidung ebenfalls erst im Herbst fällen. Es bestehe die Gefahr, dass ein neues Hilfspaket lediglich den Tag der Abrechnung hinauszögere, sagte der schwedische IWF-Vertreter, Thomas Östros, in einem gestern von der Tageszeitung „Dagens Nyheter“ veröffentlichten Interview.

Doch für Deutschland ist die Teilnahme des IWF am dritten Hilfsprogramm eine Conditio sine qua non. Bundeskanzlerin Merkel will um jeden Preis verhindern, dass der Bundestag über das Hilfsprogramm abstimmen muss, ohne zu wissen, ob der Währungsfonds mit an Bord ist.

Für die Zwischenfinanzierung gibt es mittlerweile einen Plan B: Im Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) sind noch gut sechs Mrd. Euro geparkt – sieben Mrd. Euro hat der EFSM den Griechen bereits in der zweiten Julihälfte vorgeschossen. Mit einem zweiten Überbrückungskredit könnten die europäischen Geldgeber also auf Zeit spielen. Bis Jahresende muss Griechenland seinen Gläubigern insgesamt rund sieben Mrd. Euro zurückzahlen – die EFSM-Gelder würden also ein viermonatiges Zeitfenster für weitere Verhandlungen eröffnen.

AUF EINEN BLICK

Der Finanzierungsbedarf Griechenlands ist bis Jahresende überschaubar: Athen muss seinen internationalen Gläubigern (IWF, EZB sowie bilaterale Kreditgeber) rund 7,1 Mrd. Euro zurückzahlen – davon fallen 3,7 Mrd. Euro im laufenden Monat an, 1,5 Mrd. Euro im September sowie 1,1 Mrd. Euro im Dezember. Die Rückzahlungen im Oktober und November sind mit 650 Mio. bzw. 230 Mio. Euro vergleichsweise niedrig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2015)

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