Adidas: Mit Runtastic gegen Nike und Apple

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Bei Sportartikeln ist die Digitalisierung der große Wachstumstreiber. Branchenprimus Nike setzt auf eine Kooperation mit Apple. Adidas kaufte jetzt das österreichische Start-up Runtastic für 220 Millionen Euro.

Wien. Ein Laufschuh mit integrierten Sensoren, die Geschwindigkeit, die Druckbelastung auf den Füßen sowie den Herzschlag und die allgemeine physische Verfassung des Trägers messen. Die Daten werden gesammelt und per App für den Nutzer aufbereitet – über das Smartphone oder ein sogenanntes Wearable, ein tragbares elektronisches Gerät, etwa ein Armband.

Noch handelt es sich dabei um Zukunftsmusik, die jedoch schon bald tägliche Realität werden soll. Denn das Internet der Dinge, das Alltagsgegenstände miteinander vernetzt und „intelligent“ macht, macht auch vor Sportgeräten und Sportkleidung nicht Halt. Schon 2013 wurden damit laut der Marktforschungsagentur Gartner global 1,6 Mrd. Dollar umgesetzt, 2016 sollen es bereits fünf Mrd. sein.

Die großen Hersteller, Branchenprimus Nike und dessen deutscher Konkurrent Adidas, versuchen sich daher seit einigen Jahren an solchen intelligenten Sportartikeln – bisher aber ohne durchschlagenden Erfolg. Nike ist Adidas im digitalen Wettlauf durch seine Kooperation mit Apple aber einen Schritt voraus.

Adidas startet Aufholjagd

Über die Technologie-Schiene Nike+ bietet der US-Konzern Fitness-Tracking-Apps an – und mit der Sportwatch und dem Fuelband auch die passenden Wearables dazu. Nur lief es dabei in letzter Zeit nicht so rund. Nach einer Sammelklage wegen irreführender Werbung, die Fähigkeiten des Fuelband anpries, die dieses gar nicht hatte, mussten Nike und Apple Entschädigungszahlungen in der Höhe von 2,4 Mio. US-Dollar zahlen, wie Ende Juli bekannt wurde.

Vielleicht ein guter Zeitpunkt für Adidas, um nun die Aufholjagd zu starten. Nur: Statt auf die Kooperation mit einem großen Technologiepartner setzt Adidas auf das Know-how eines Start-ups aus Österreich. Wie am Mittwochabend bekannt wurde, hat der Konzern mit Sitz im bayerischen Herzogenaurach das Start-up Runtastic für 220 Mio. Euro gekauft. Runtastic, das 2009 mit einer der ersten Lauf-Apps auf den Markt kam, hat mittlerweile über 20 Fitness-Apps in 18 Sprachen im Portfolio. Dazu kommen diverse Wearables, vom Armband bis zum Brustgurt.

Beiden Seiten ist mit der Übernahme ein veritabler Coup gelungen. So hat sich der Wert des 2009 gegründeten Start-ups aus Pasching bei Linz, an dem der deutsche Medienkonzern Springer 50,1 Prozent der Anteile hielt (den Rest teilten sich die vier Gründer und ein Risikokapitalgeber), seit 2013 verzehnfacht. Bei der damaligen Übernahme betrug der kolportierte Wert von Runtastic noch 22Mio. Euro – laut Gründer Florian Gschwandtner war er damals aber bereits deutlich höher.

Jedenfalls sind die Gründer jetzt Millionäre. Sie denken aber nicht daran, Runtastic zu verlassen. „Dass wir als Gründerteam an Bord bleiben, war eine Grundvoraussetzungen bei den Verhandlungen“, sagt Gschwandtner. Und wohl auch eine Prämisse für Adidas, diesen Deal einzugehen. Das Team übersiedelt auch nicht nach Bayern, der Unternehmenssitz bleibt in Pasching.

Adidas interessieren an Runtastic zwei Dinge: Den Kundenstock anzuzapfen – mit über 140 Millionen Downloads und rund 70 Millionen registrierten Nutzern gilt Runtastic als die größte Lauf-App. Und das technologische Know-how der Gründer und Mitarbeiter für die Entwicklung der eigenen Produkte einzusetzen.

Darin sieht Gründer Gschwandtner auch den großen Reiz der Übernahme: „Wir haben jetzt die Chance, in dieser Branche digital etwas zu verändern. Adidas macht Laufschuhe, Kleidung, Fitnesszubehör, und wir machen das Pendent im Digitalbereich.“ Den besagten Laufschuh mit integrierter Sensorik mitzugestalten sei eine spannende Aufgabe.

Chance, Branche zu verändern

Im Gegenzug bietet Adidas Runtastic ein riesiges neues Vertriebsnetz. Bis Runtastic-Produkte in Adidas-Läden zu finden sind, werde es aber noch einige Zeit dauern, sagt Gschwandtner. „Wir machen erst einmal so weiter, wie wir das ohne Adidas geplant haben.“ Im September stehe der Launch einer neuen Produktlinie an, Ende des Jahres folgt dann eine neue App. Erst einmal fliegt Gschwandtner aber nach San Francisco. Eine Pressereise durch die USA ist geplant. Mit Adidas an neuen Produkten getüftelt wird später. Gefeiert auch.

AUF EINEN BLICK

Übernahme. Der deutsche Sportartikelhersteller Adidas hat das österreichische Start-up Runtastic um 220 Mio. Euro gekauft. Bisher war Runtastic zur Hälfte im Besitz des deutschen Medienkonzerns Springer, die andere Hälfte war im Besitz der Gründer. Das Gründungsteam bleibt operativ weiter an Bord von Runtastic. Adidas ist der zweitgrößte Sportartikelhersteller weltweit und erzielte im Jahr 2014 einen Umsatz von 14,53 Mrd. Euro und einen Gewinn von 568 Mio. Euro. Branchenprimus Nike setzte im Vorjahr 27,8 Mrd. Dollar (25,4 Mrd. Euro) um.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2015)

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