Onlinehandel: Amazons Waterloo in Asien

(c) REUTERS (ANINDITO MUKHERJEE)
  • Drucken

In China bekommt Amazon keinen Fuß in die Tür. In Indien bekam einer von Amazons Rivalen, Snapdeal, jetzt just Geld vom chinesischen Online-Riesen Alibaba.

Neu-Delhi. An China hat sich Amazon bisher die Zähne ausgebissen. Platzhirsch Alibaba kontrolliert mit seinen beiden Handelsplattformen Tmall und Taobao mehr als 90 Prozent des chinesischen Onlinehandels. Die jüngste Maßnahme von Amazon-Chef Jeff Bezos mutet da fast ein bisschen verzweifelt an: Im März eröffnete Amazon just bei seinem Erzrivalen, auf Tmall, einen Shop, um seine Bekanntheit in China zu steigern.

Da dürfte es ein weiterer Stachel im Fleisch von Bezos sein, dass Alibaba nun auch auf einem weiteren Milliardenmarkt Fuß gefasst hat: in Indien. Alibaba hat, wie am Donnerstag bestätigt wurde, zusammen mit dem Apple-Zulieferer Foxconn und der Soft Bank Group 500 Mio. Dollar (447 Mio. Euro) in einen der indischen Lokalmatadore, den Online-Marktplatz Snapdeal, investiert. Davor hat Snapdeal bereits eine Milliarde Dollar von namhaften Investoren wie eBay eingesammelt. (Nun hat eBay seine Anteile verkauft.)

Das von einem ehemaligen Microsoft-Mitarbeiter, Kunal Bahl, gegründete Unternehmen ist nicht der einzige Rivale von Amazon in Indien. Mit Flipkart ist ein weiterer starker Kandidat im Rennen, der just von zwei ehemaligen „Amazonians“, Sachin und Binny Bansal, gegründet wurde. Diese haben in Summe bereits drei Mrd. Dollar von Investoren einsammelt und kürzlich angekündigt, eine Milliarde in die Expansion ihrer Plattform zu investieren.

100-Milliarden-Dollar-Markt

Als Reaktion darauf kündigte Amazon im Juli an, fünf Milliarden Dollar in die Hand zu nehmen, um seine Präsenz auf dem indischen Markt auszubauen. Und das Wettrüsten dürfte munter weitergehen.

Denn der Markt Indien ist vielversprechend. Wie der indische Industrieverband Assocham und PwC kürzlich prognostiziert haben, wird das Volumen des indischen Onlinehandels in den kommenden fünf Jahren von 17 auf über 100 Mrd. Dollar anwachsen. Die Investmentbanker von Morgan Stanley sagten im Februar gar voraus, dass indische Onlinehändler im Jahr 2020 bis zu 137 Mrd. Dollar umsetzen werden.

Amazon, das erst seit 2013 in Indien vertreten ist, setzte 2014 Waren im Wert von zwei Milliarden Dollar um. Snapdeal liegt bei einer Milliarde Dollar Jahresumsatz. Da ist also noch ordentlich Luft nach oben. Ein Großteil des Potenzials für den E-Commerce hängt mit dem rasant wachsendem Smartphone-Markt zusammen.
Für viele Inder ist das Smartphone zugleich der erste Zugang zum Internet und damit zur Welt des Onlineshoppings. Noch haben nur 20 Prozent der Inder Zugang zum Internet, und nur 14 Prozent besitzen ein Smartphone. Bei einer Bevölkerung von 1,25 Milliarden ist das aber schon jetzt ein beträchtlicher Markt. Nach den USA (319 Millionen Einwohner) ist Indien bereits jetzt das Land mit den meisten Smartphonebesitzern.

Smartphone für 30 Dollar

Und genau darin liegt auch der Vorteil der lokalen Marktplätze gegenüber Amazon: Sie setzen voll auf die mobilen Nutzer. Weshalb der Verkauf von billigen Smartphones auch eine der Prioritäten von Snapdeal ist – was übrigens die Beteiligung von Smartphoneproduzenten Foxconn erklärt.

Snapdeal verkauft auf seinem Marktplatz Smartphones für 50 Dollar (45 Euro), die mit einem Betriebssystem ausgestattet sind, das die Snapdeal-App bereits integriert hat. Damit macht Snapdeal im Prinzip Ähnliches, wie Amazon mit seinem eigenen Smartphone, Fire, (erfolglos) versucht hat.

Bald soll laut Snapdeal-Gründer Kunal Bahl ein Modell für 30 Dollar auf den Markt kommen. Derzeit macht Snapdeal 60 Prozent seines Umsatzes mit dem Verkauf von Smartphones. Damit hat Bahl auch eine andere Zielgruppe im Fokus als sein Mitbewerb: die indische Mittelschicht und nicht – wie Amazon und Flipkart – die urbane Oberschicht. Letztere ist zwar kaufkräftiger, macht aber mit etwa einer Million Menschen nur einen Bruchteil der indischen Gesellschaft aus.

Bahl ist stets bemüht zu betonen, im Gegensatz zu Amazon ein „redlicheres“ Geschäftsmodell zu verfolgen: „Wir werden nie unsere eigenen Produkte auf unserer Plattform verkaufen. Das wäre ein Verrat an unseren Händlern“, beteuert er. Amazon macht das wegen gesetzlicher Beschränkungen in Indien übrigens bis dato auch nicht, lobbyiert aber bereits heftig, um das zu ändern.

Bahl will den Umstand für sich nutzen, dass Amazon im Gegensatz zu Snapdeal nicht mit Smartphones groß geworden ist. Tatsache ist: Wenn Snapdeal es schafft, all die neuen Smartphonenutzer in Indien auf seine Seite zu ziehen, hat er den entscheidenden Trumpf im Ärmel.

Auf einen Blick

Onlinehandel in Indien. Mit Amazon teilen sich derzeit die indischen Onlinehändler Snapdeal, Flipkart und Paytm den Markt. Und dieser hat ein Riesenpotenzial. Das Volumen des indischen Onlinehandels soll in den kommenden fünf Jahren von 17 auf 100 Milliarden US-Dollar (90 Mrd. Euro) wachsen. Bisher haben nur etwa 20 Prozent der Inder Zugang zum Internet und 14 Prozent ein Smartphone.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

TOKYO Japan Amazon com Inc chief executive officer Jeff Bezos speaks during an interview in Tok
Internet

Unternehmenskultur: Die Blessuren der "Amazonians"

Ein Bericht der „New York Times“ schildert Amazon als familienfeindlichen, Denunziation und Mobbing schürenden Arbeitgeber. Amazon-Chef Bezos hält dagegen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.