Ein Luxemburger gegen Steuerflucht

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July 14 2015 Brussels Belgium Brussels Belgium 15 07 15 Luxembourg s Finance Minister Pierr(c) imago/ZUMA Press (imago stock&people)
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Pierre Gramegna, der Finanzminister der Steueroase, soll als Leiter des Ecofin den Kampf gegen die Steuerflucht vorantreiben. Das sei nicht schizophren, erklärt er der „Presse“.

Salzburg. Luxemburg hat ein Problem. Seit den Enthüllungen von LuxLeaks steht das Großherzogtum als Europas attraktivste Steueroase für Unternehmen da. Das kratzt am Image und wirft Schatten auf die Zukunft. Denn der Reichtum des Ländchens steht und fällt mit dem Finanzsektor, der ein Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung ausmacht (in der Schweiz etwa sind es nur gut zehn Prozent). Banken, Fonds, Wirtschaftsprüfer und tausende Briefkästen von Töchtern multinationaler Konzerne drängen sich auf engem Raum. Fallen die Steuervorteile weg, ist wohl auch das Geschäftsmodell in Gefahr.

Jetzt sollen ausgerechnet Politiker dieses EU-Gründungsmitglieds für mehr europäische Solidarität in Steuerfragen sorgen. Nicht nur Kommissionspräsident Juncker. Konkret und aktuell geht es um Pierre Gramegna, den Finanzminister. Seit Luxemburg im Juli die Ratspräsidentschaft übernommen hat, steht er dem Ecofin vor. Die Gruppe der EU-Finanzminister will „missbräuchlich aggressive Steuerplanung“ eindämmen, wie sein österreichischer Kollege Schelling nach einem Treffen der vier deutschsprachigen Minister am Dienstag in Salzburg betonte.

„Rulings machen fast alle“

Gramegna saß daneben und lächelte. Als nationaler Schatzmeister müsste er da freilich auf der Bremse stehen. Eine schizophrene Rolle, raunen viele. Der Bock werde zum Gärtner gemacht. Aber im Gespräch mit der „Presse“ geht der 57-Jährige in die Offensive.

Zunächst räumt er ein: „Ja, es ist ein moralisches Problem, wenn Firmen keine oder nur ganz wenig Steuern zahlen.“ Aber: „Es ist nicht wahr, dass Luxemburg dafür der attraktivste Ort ist. Schön wär's!“ Das kommt überraschend. Es geht um die Tax Rulings. Durch solche vertraulichen Vorabentscheide legt der Fiskus individuell fest, wie viel ein Konzern, der sich ansiedeln will, an Steuern zahlen muss. Gramegna betont nun: „Solche Rulings macht fast jedes Land.“ Was im Prinzip stimmt. Aber so großzügig und meist auf reine Briefkastenfirmen gemünzt doch nur Luxemburg, oder? Das will Gramegna widerlegen. „Es wurde in den Raum gestellt, ein Ruling ginge bei uns ganz einfach: Sie kommen in mein Büro, und wir vereinbaren, wie viel Steuern sie zahlen. So ist es nicht und war es nicht.“ Es werden weiter neue Rulings ausgestellt, auch wenn sie nun „weniger großzügig“ sind. „Manche Arten lassen wir auch auslaufen, so wie Irland.“

In Brüssel treibt Gramegna derweil ein Projekt voran: Die EU-Staaten sollen sich über ihre Entscheide automatisch informieren. Aber was soll diese Transparenz bringen? Viel war ja schon in LuxLeaks zu lesen. Und schon bisher konnte die Steuerbehörde des Staates, aus dem die Firma stammt, die Information erfragen. Aber Gramegna geht es auch darum, dass nicht alle mit dem Finger auf sein Land weisen: „Man wird dann sehen, was die anderen machen.“

Künftige Regeln werden von der OECD kommen. Sie arbeitet an einem Aktionsplan und will damit der Steuerflucht zumindest zwischen allen Industriestaaten einen Riegel vorschieben. Was aber wird dann aus Luxemburg? Ein aktuelles Beispiel: Mit Jahresbeginn trat eine EU-Richtlinie zur Mehrwertsteuer in Kraft. Bei digitalen Produkten wie E-Books von Amazon oder Musik-Downloads von Apple iTunes fällt sie nun im Land des Käufers an. Allein dadurch entgehen dem Luxemburger Fiskus fast 700 Millionen Euro – in einem Staat, der so viele Einwohner hat wie das Land Salzburg. „Das hat uns im Haushalt viele Anstrengungen gekostet“, gibt Gramegna zu.

Nur ein kleiner Vorgeschmack? Das glaubt er nicht. „Wir müssen unser Geschäftsmodell nicht radikal ändern. Denn auch wenn uns das fast keiner glaubt: Es funktioniert Gott sei Dank nicht nur wegen günstiger Steuern.“ Die Zukunft wird es weisen.

Wachsen ohne Bankgeheimnis

Bis jetzt hat sich der Kleinstaat noch recht wacker geschlagen: Obwohl das Bankgeheimnis schon gefallen ist, wächst die Wirtschaft mit drei bis vier Prozent. Auch dass außer den USA kein Land mehr Investmentfonds als Sitz dient als Luxemburg, habe nicht direkt mit Steuervorteilen zu tun.

Freilich: In den Fonds ist auch viel Schwarzgeld aus aller Welt versteckt, wie Gabriel Zucman aufzeigt. Der Experte für Steueroasen will Luxemburg notfalls aus der EU werfen, weil es kein Nationalstaat mehr sei, sondern nur mehr eine internationale Plattform zur Steuervermeidung. Für Gramegna ist das „pure Provokation“. Er schwärmt lieber davon, „dass wir nun erstmals die Chance haben, weltweit zu neuen Regeln zu kommen. Und im Rahmen dieser Regeln werden wir immer noch Platz finden, um uns zu entwickeln. Das ist eine ganz neue Philosophie!“

ZUR PERSON

Pierre Gramegna (57) ist ein Luxemburger Politiker und Ex-Diplomat. Seit Dezember 2013 steht er dem Finanzministerium vor, seit Anfang Juli der Ecofin-Gruppe der EU-Finanzminister – im Rahmen der halbjährigen Ratspräsidentschaft Luxemburgs. [ EPA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2015)

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