China: Verhaftungen wegen Börsencrashs

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Peking will nun Schuldige an den Marktturbulenzen gefunden haben – darunter ein Börsenaufseher und ein Finanzjournalist. Auch Internetnutzer sollen „Gerüchte verbreitet“ haben.

Shanghai. In China stehen nach den jüngsten Börsenturbulenzen mehrere mutmaßliche schwarze Schafe aus der Finanzwelt am Pranger. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua meldete, sechs Verdächtige hätten Geständnisse über illegale Geschäftspraktiken abgelegt. Unter den Beschuldigten sind vier Manager eines Wertpapierhandelshauses, ein Börsenaufseher und ein Finanzjournalist.

Die chinesischen Aktienmärkte sind seit Mitte Juni um etwa 40 Prozent gefallen. Erst zu Beginn der Vorwoche löste ein Kurssturz in Shanghai weltweit Panik aus. Als Ursachen für die Talfahrt gelten die Abkühlung der chinesischen Konjunktur und die überraschende Abwertung der Landeswährung Yuan, aber auch eine spekulationsgetriebene Marktüberhitzung.

Um nicht den Zorn der Anleger auf sich zu ziehen, hatte die Regierung zunächst versucht, mit milliardenschweren Marktinterventionen gegenzusteuern – allerdings ohne Erfolg. Die Behörden wollen die Börsen auch stützen, indem sie gegen aus ihrer Sicht schädliche Handelsstrategien vorgehen, etwa gegen Leerverkäufe, mit denen Anleger auf fallende Kurse wetten.

Vor allem aber braucht man nun sichtlich Sündenböcke für das Desaster. Laut Xinhua gaben vier hochrangige Führungskräfte des größten chinesischen Brokerhauses, Citic Securities, Insiderhandel zu. Zudem habe ein Vertreter der Wertpapieraufsichtsbehörde CSRC gestanden, dass er gegen Schmiergeldzahlung seine Position dazu missbraucht habe, den Aktienkurs eines Unternehmens künstlich in die Höhe zu treiben.

„Gerüchte und Mutmaßungen“

Weiters habe ein Reporter des angesehenen Wirtschaftsmagazins „Caijing“ die Verbreitung von Falschinformationen eingeräumt, die zu „Panik und Chaos“ geführt hätten. Er habe „auf Grundlage von Gerüchten und eigenen Mutmaßungen“ über den chinesischen Aktienmarkt geschrieben und damit das Vertrauen der Anleger untergraben. Damit habe er „dem Land und Investoren hohe Verluste“ zugefügt. Die Beschuldigten befinden sich laut Xinhua bereits in Haft.

Ins Visier der chinesischen Ermittler kamen auch Internetnutzer: 197 Personen wurden laut der Nachrichtenagentur bestraft, weil sie Gerüchte über die chinesische Börse verbreitet haben sollen. Dem Bericht zufolge hat die Polizei die User verfolgt, weil diese „Panik auslösen und die Öffentlichkeit täuschen“ wollten. Als Beispiel nannte Xinhua einen Nutzer, der behauptet haben soll, dass sich in Peking ein Mann wegen der Börsenunruhen aus einem Fenster in den Tod gestürzt habe.

Vor zwei Jahren wurde in China ein neues Gesetz eingeführt, wonach die Verbreitung von Gerüchten mit einer Freiheitsstrafe von drei Jahren geahndet werden kann, wenn Beiträge im Internet mehr als 500 Mal geteilt oder 5000 Mal angesehen werden.

Bis Juni 150 Prozent Plus

Anders als in Europa und Amerika, wo professionelle Anleger den Börsenhandel dominieren, werden in China rund 85 Prozent der Transaktionen von Privatpersonen getätigt. Auch Kleinanleger machen hochspekulative Geschäfte – so werden mit geliehenem Geld Hebelprodukte gekauft, bei denen mit geringen Beträgen große Volumen bewegt werden können.

Befeuert von diesen riskanten Wetten, schossen die Kurse in China vom vergangenen Sommer bis Mitte Juni nach oben, die Mehrzahl der Marktexperten warnte wegen des Kursplus von rund 150 Prozent vor einer Spekulationsblase. Peking versuchte, den Markt abzukühlen, unter anderem wurden die Bedingungen für Spekulationen mit geliehenem Geld verschärft. Den Crash konnte das jedoch nicht verhindern. (Reuters/APA/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2015)

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