Energie: Berlin zwingt E.On in die Knie

(c) Bloomberg (Krisztian Bocsi)
  • Drucken

Geht es nach der deutschen Regierung, sollen Atomkonzerne für den Abbau ihrer Meiler dauerhaft bezahlen. E.On verwirft deshalb einen großen Teil seiner Abspaltungspläne.

Düsseldorf/Berlin. Der deutsche Energieriese E.On hat bei der Auslagerung seiner Atomkraftwerke eine überraschende Kehrtwende vollzogen. Das Unternehmen wird seine Kernreaktoren nicht wie bisher geplant in eine eigene Gesellschaft namens Uniper übertragen, sondern selbst für deren Rückbau verantwortlich sein.

Der E.On-Aufsichtsrat hat sich Mittwochabend zu diesem nicht ganz freiwilligen Schritt entschlossen. Hintergrund ist ein Gesetzesentwurf des deutschen SPD-Wirtschaftsministers, Sigmar Gabriel. Dieser will Energiekonzerne dauerhaft (bis zur Stilllegung der Meiler) dazu verpflichten, für die Ausstiegskosten aufzukommen. Bisher setzte E.On auf die Abspaltung seiner Atomkraftwerke, weil Muttergesellschaften für ihre Töchter nur für die Dauer von fünf Jahren haftbar gemacht werden können. Die Pläne Gabriels hätten aber dazu geführt, dass E.On für Uniper geradestehen muss, obwohl der Konzern keine Kontrolle mehr darüber hat.

„Ich bin ganz ehrlich: Mit so etwas habe ich nicht gerechnet“, sagte E.On-Chef Johannes Teyssen im Rahmen einer Telefonkonferenz. Als verantwortungsvoller Vorstand könne er seinen Eigentümern nicht zumuten, unbegrenzt für das völlig unabhängige Handeln einer anderen Gesellschaft zu haften. Zwar geht Teyssen von der Verfassungswidrigkeit des Gesetzesentwurfes aus. Allerdings habe das Unternehmen angesichts seiner geplanten Neuausrichtung keine Zeit, einen jahrelangen Rechtsstreit mit der Bundesrepublik zu führen.

Hohe Rückstellungen

Nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima von 2011 beschloss die deutsche Bundesregierung eine Abkehr von ihrer alten Energiepolitik. Man legte sich auf die Abschaltung aller deutschen Kernreaktionen bis zum Jahr 2022 fest. Die Kosten für den Abbau eines Meilers sowie die Lagerung von Atommüll sind horrend. Während der Staat die Ausgaben auf die Energiekonzerne abwälzen will, sehen diese auch die Republik in der Pflicht. „Für konstruktive Lösungen sind wir nach wie vor offen. Staat und Unternehmen sind gemeinsam in die friedliche Nutzung der Kernenergie eingestiegen, jetzt müssen beide diesen Weg auch in gemeinsamer Verantwortung zu Ende gehen“, sagt Teyssen.

Die Kraftwerksbetreiber RWE, Vattenfall und EnBW haben für den Abbau der Anlagen bereits Rückstellungen im Ausmaß von 38 Mrd. Euro gebildet. Eine von der Regierung beauftrage Kommission soll nun bis Ende November ein Papier auf den Tisch legen, das den Weg für den Umgang und den Abriss mit alten Anlagen weist.

Dass es am Ende zu einer für alle Seiten verträglichen Lösung kommt, glaubten die Aktionäre am Donnerstag eher nicht. Die Aktie des Versorgers fiel im Tagesverlauf nicht nur um mehr als sechs Prozent. Die Papiere sackten auch auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren ab.

Da ein Unglück selten allein kommt, gab E.On für das laufende Geschäftsjahr auch noch einen möglichen Rekordverlust bekannt. Investoren müssten mit einem Fehlbetrag im mittleren einstelligen Milliardenbereich rechnen. 2014 verbuchte der Konzern mit knapp 3,2 Mrd. Euro einen historischen Verlust. E.On betreibt derzeit noch drei Atomkraftwerke, neun wurden bereits (teils vor 2011) stillgelegt.

An Uniper hält der Energiekonzern aber nach wie vor fest. In das neue Unternehmen sollen Kohle- und Gaskraftwerke sowie der Energiehandel eingebracht werden. Ab dem kommenden Jahr will sich der Vorstand auf das Ökostromgeschäft sowie den Betrieb von Strom- und Gasnetzen konzentrieren. Die Atomkraftwerke werden in einer Einheit namens Preussen Elektra geführt. (nst)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.