Borgward: Ein deutsches Auto für China

(C) Borgward Group AG
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Nach 54 Jahren wird kommende Woche die deutsche Automarke Borgward wieder zum Leben erweckt. Das Projekt wirkt auf den ersten Blick wie ein Märchen. In Wirklichkeit steckt dahinter aber ein wohlüberlegtes Geschäftsmodell.

Saab, Rover, Pontiac: Viele traditionsreiche Automarken mussten in den vergangenen Jahren das Zeitliche segnen. Sie waren entweder wie Saab zu klein, um allein überleben zu können, oder wie Pontiac zu schwach, um sich innerhalb eines Konzerns durchzusetzen. Erfolgreiche Neugründungen in größerem Stil gab es in den etablierten Märkten USA und Europa so gut wie keine (mit Ausnahme von Elektroautopionier Tesla). Kein Wunder, prognostizieren doch nach wie vor sämtliche Experten und auch Branchen-Insider wie Fiat-Chef Sergio Marchionne, dass es immer noch zu viele Automarken gibt und die Konsolidierung in der Branche weiter voranschreiten wird.

Insofern ist es beinahe ein historisches Ereignis, das übermorgen, Dienstag, auf der Internationalen Autoaustellung (IAA) in Frankfurt stattfinden wird. An diesem Tag wird nämlich mit Borgward ein ehemaliger Autohersteller wieder neu zum Leben erweckt. Und das 54 Jahre, nachdem er in den Konkurs gerutscht ist.


Die Geschichte. Der Name Borgward dürfte auch heute noch vielen Österreichern ein Begriff sein. Schließlich war der Hersteller in den Nachkriegsjahren zeitweise der drittgrößte Autohersteller Deutschlands. Die Geschichte des von Carl Friedrich Wilhelm Borgward in Bremen gegründeten Unternehmens begann jedoch bereits im Jahr 1924, als ein erster dreirädriger „Blitzkarren“ hergestellt wurde. Die Firma wuchs in den folgenden Jahren rasant und war in den 1930er-Jahren bereits einer der bedeutenderen Autohersteller des Landes. Dann kam der Zweite Weltkrieg, und Borgward wurde zu einem der größten Hersteller von Lastkraftwagen. Nach dem Krieg wurde die Firma 1948 neu aufgebaut. Und während sie zuerst noch kleinere und billigere Fahrzeuge herstellte, brachte sie im Jahr 1954 jenes Modell auf den Markt, das gern als „Traumwagen der Wirtschaftswunderzeit“ bezeichnet wird: die Borgward Isabella. Mehr als 200.000-mal wurde dieses Auto in den 1950er-Jahren gebaut. Borgward wurde zu dieser Zeit in einem Atemzug mit Mercedes genannt. Doch nur kurze Zeit später kam auch schon der rasante Abstieg. Ein neues Modell – die Arabella – wurde zum wirtschaftlichen Flop. Die Firma überschuldete sich und musste im Jahr 1961 Konkurs anmelden. 20.000 Mitarbeiter verloren ihren Job, Borgward war Geschichte.


Die Neugründung. Dabei blieb es bis zum Jahr 2005. Damals kündigte der Getränkegroßhändler und Enkel des Firmengründers, Christian Borgward, an, die Firma neu gründen zu wollen. Er wolle sich damit einen Kindheitstraum erfüllen, sagte er einst. Denn auch wenn er seinen Großvater nie selbst kennengelernt habe, sei in seiner Familie seit jeher Benzin im Blut. So war auch der Vater von Christian Borgward jahrelang Manager bei VW.

Was vor zehn Jahren noch als verrückte Aussage eines Träumers angesehen wurde, nimmt nun ganz konkrete Gestalt an. Offiziell vorgestellt wurde die neue Firma mit aktualisiertem Borgward-Logo bereits bei der IAA in Genf im Frühjahr. „Wir wollen dort hin, wo wir schon einmal waren“, meinte Christian Borgward damals. Am Dienstag soll nun das erste Modell – ein sportliches SUV mit konventionellem Antrieb – endlich vorgestellt werden. Ab dem kommenden Jahr werde die Produktion beginnen. Ein richtiges Industriemärchen also.

Doch das ist nur ein Teil der Geschichte. Der zweite Teil sieht ein bisschen weniger märchenhaft aus, dürfte jedoch die Erfolgschancen von Borgward deutlich steigern. Denn das Unternehmen wird zwar in Stuttgart beheimatet sein und auch von Deutschen geleitet werden. Eigentümer der Firma ist allerdings der chinesische Nutzfahrzeughersteller Foton – seines Zeichens wiederum Tochter des in Staatshand befindlichen viertgrößten chinesischen Autoherstellers BAIC.

„Borgward ist ein deutsches Unternehmen, und alle wesentlichen Entscheidungen werden in Stuttgart getroffen“, heißt es bei dem Unternehmen zwar auf Anfrage der „Presse am Sonntag“. Foton sei lediglich ein „erster Partner und Investor“. Dennoch legt die Struktur der Firma nahe, dass es den Chinesen darum geht, ein „deutsches“ Auto für ihren Heimmarkt zu produzieren. So arbeiten derzeit 150 Menschen in Stuttgart für Borgward, die sich neben der Geschäftsführung um das Design und Teile der Konstruktion kümmern. Wesentlich mehr sind es allerdings in China. Dort sollen bereits rund 2500 Menschen bei der Firma beschäftigt sein. Nicht zuletzt deshalb, weil in der Nähe von Peking auch das Werk steht, in dem die Produktion im ersten Halbjahr des kommenden Jahres beginnen soll.

Und auch bei den anvisierten Zielmärkten macht man keinen Hehl aus der Strategie: Zunächst soll der Verkauf in China und anderen Schwellenländern starten. Erst ab dem Jahr 2017 will Borgward dann auch in Europa wieder auf die Straßen kommen. Die Produktion der Fahrzeuge soll dabei jeweils in der Region stattfinden, in der die Autos auch verkauft werden.

Mittelfristig sollen über 500.000 Fahrzeuge pro Jahr produziert werden, heißt es bei dem Unternehmen. Damit wäre Borgward dann fast so groß wie der deutsche Luxushersteller Porsche, der in den vergangenen Jahren rasant gewachsen ist – nicht zuletzt aufgrund der großen Nachfrage nach deutschen Premiumautos in Schwellenländern wie China.

Die Chancen. Die Firma Borgward des Jahres 2015 wird sich also doch stark von jener aus den 1950er-Jahren unterscheiden. Ob dies von Anfang an so geplant war oder im Lauf der Zeit so entstanden ist, sagt man bei Borgward nicht. Man habe halt lang an dem Projekt gearbeitet – und so seien die Kontakte zu den chinesischen Partnern entstanden.

Für den langfristigen Erfolg sind die China-Strategie und der finanzkräftige Investor aus dem Reich der Mitte jedoch sicherlich ein gravierender Vorteil. Und an Märchen glaubt in der hart umkämpften Autobranche ohnehin niemand mehr.

Chronik

1924wurde Borgward von Carl Friedrich Wilhelm Borgward gegründet.

1954brachte die Firma die Borgward Isabella heraus. Das Modell wurde mehr als 200.000-mal verkauft und gilt als „Traumwagen der Wirtschaftswunderzeit“.

1961ging Borgward Konkurs.

2015wird das Unternehmen neu zum Leben erweckt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2015)

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