„Größter Betrüger“: Ein Rockefeller, der keiner war

(c) EPA (Mark Garfinkel)
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Ein Deutscher lebte in den USA 28 Jahre lang unter verschiedenen Identitäten und brachte es bis zum Millionär. Er gab eine Verwandtschaft mit der Öldynastie vor.

Boston/wien (rie). Er verkehrte in den nobelsten Klubs in New York, sammelte teure Kunstwerke von Rothko, Mondrian, Motherwell, zählte Senatoren und berühmte Schauspieler zu seinen Freunden – bis im Juli vergangenen Jahres sein über 28 Jahre aufgebautes Scheinleben zusammenbrach: Der Mann, der sich Clark Rockefeller nannte und eine Verwandtschaft mit der Öldynastie vorgab, entpuppte sich als ein mittelloser Student aus Deutschland. Ab heute steht der „unverschämteste, größte Betrüger unserer Zeit“ (Staatsanwalt) in den USA vor Gericht.

Eigentlich muss man den mittlerweile 48-Jährigen dafür bewundern, wie er über fast 30 Jahre zwei Ehefrauen, Dutzenden Geschäftspartnern, Freunden und Nachbarn einen Lebensstil vorspielte, den er nur aus den Büchern kannte, die er in der öffentlichen Bücherei las. Die Identität des Clark Rockefeller war sein Meisterstück, mit dem er es zu einem elitären Lebensstil in New York brachte. Zuvor hatte er sich als Baron, Investmentbanker, und Filmproduzent ausgegeben.

Begonnen hat der „Aufstieg“ des gebürtigen Bayern 1978 in Connecticut. In seinem Heimatort Bergen in Deutschland lernte Christian G. eine US-Familie kennen, die in typisch amerikanischer Freundlichkeit meinte, wenn er je in den USA sei, solle er sie besuchen. Wochen später stand der junge Student vor der Tür.

Nach Streitereien zog er weiter nach Kalifornien, wo er sich in San Marino als „Christopher Chichester, 13. Baron“ ausgab. Er wurde Mitglied bei den Rotariern, in deren Klubs es stets üppige Buffets gab, und knüpfte hervorragende Beziehungen: Sei es mit einsamen Witwen oder einflussreichen Geschäftsleuten. Sogar eine TV-Show gab man dem vermeintlichen Baron („Inside San Marino“). „Obwohl er erst 20 Jahre alt war, benahm er sich wie ein 40-Jähriger. Frauen küsste er bei der Begrüßung stets die Hand“, erzählte sein Friseur der Zeitschrift „Vanity Fair“. „Ich war mir sicher, dass er ein Adeliger ist.“

So plötzlich, wie er aufgetaucht war, verschwand Chichester wieder – um als Christopher Crowe in einem gestohlenen Pick-up in Connecticut wieder aufzutauchen. Die Skelette der Besitzer des Autos, eines alten Ehepaars aus Kalifornien, wurden erst vor einigen Jahren entdeckt.

Angelesene Biografie

Wieder arbeitete sich G. durch die Klubs und wurde dank der geknüpften Beziehungen Fondsmanager („Er hatte keine Ahnung, aber das überspielte er“, so ein Arbeitskollege in „Vanity Fair“). Als die Polizei wegen des gestohlenen Pick-ups nach ihm suchte, verließ er den Bundesstaat („Meine Eltern werden in Afghanistan vermisst“), zog nach New York und baute sich dort ab 1993 mit seinen Ersparnissen als Fondsmanager die Existenz des Clark Rockefeller auf. Wochenlang las er sich in Büchereien Hintergrundwissen über die Familie an, interessierte sich für teure Kunst und heiratete dank seines klingenden Namens eine vermögende Investmentbankerin, die seinen Lebensstil finanzierte. Er gab vor, Berater von Entwicklungsländern zu sein. Daher könne er kein Geld für seine Arbeit verlangen, „das wäre nicht richtig“.

Zum Verhängnis wurde dem Bayern schließlich die Liebe zu seiner Tochter. Nach der Scheidung 2008 entführte er das Kind, bei der Fahndung entdeckte die Polizei seine verschiedenen Identitäten. Ab heute steht er in Boston wegen Kindesentführung vor Gericht (wegen des kalifornischen Ehepaars wird noch ermittelt).

Mittlerweile scheint Christian G. den Bezug zu seiner wahren Identität verloren zu haben: Sein Anwalt stellte den Antrag, man möge seinen Klienten im Verfahren als „Clark Rockefeller“ adressieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2009)

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