Airbus-Großangriff im Boeing-Land

An Airbus A321 is being assembled in the final assembly line hangar at the Airbus U.S. Manufacturing Facility in Mobile
An Airbus A321 is being assembled in the final assembly line hangar at the Airbus U.S. Manufacturing Facility in Mobile(c) REUTERS (MICHAEL SPOONEYBARGER)
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Der europäische Flugzeugbauer Airbus setzt mit dem ersten Montagewerk in den USA auf günstigere Produktionskosten und Aufträge der bisher patriotischen US-Fluglinien.

Mobile/Toulouse/Chicago. Unter dem Applaus der Mitarbeiter legte Fabrice Brégier Hand an. Der Airbus-Chef klebte einen großen Sticker auf ein Bauteil des ersten in Amerika geplanten Jets aus seinem Haus. Die Aufschrift: „Made in the USA“. Der europäische Flugzeugbauer hat sein erstes Werk in den USA eröffnet und bläst zur Attacke gegen den Erzrivalen Boeing. „Wir glauben, dass es strategisch wichtig ist, neben Europa in den zwei Schlüsselmärkten USA und China verwurzelt zu sein“, sagte Brégier.

Die Konzernführung setzt große Hoffnungen auf die Montagelinie für A-320-Mittelstrecken-Jets. Diese Modelle sind der Verkaufshit von Airbus, rund 6700 Aufträge hat Airbus dafür in den Büchern. Brégier setzt in dem neuen, 600 Mio. Dollar (529 Mio. Euro) teuren Werk aber nicht nur auf günstigere Produktionskosten. „In Amerika ist es wichtig zu zeigen, dass die Flugzeuge im Land gefertigt werden.“

Geht es nach Brégier, muss sich die Konkurrenz warm anziehen. „Wir hoffen, dass wir den US-Marktanteil auch mithilfe des neuen Werks auf 50 Prozent steigern können“, sagte er. Als 2012 die Entscheidung für das Werk in Mobile gefallen sei, sei der Airbus-Anteil bei US-Fluggesellschaften bei knapp 20 Prozent gelegen. Einschließlich der Neuaufträge in den vergangenen zwei Jahren ist er auf 40 Prozent geklettert.

Über Jahrzehnte waren die Fluggesellschaften aus den USA ziemlich heimatverbunden, sie kauften vorwiegend bei Boeing ein und lang bei McDonnell Douglas, bis dieser Hersteller 1997 mit seinem größeren heimischen Konkurrenten fusionierte. Die alten Maschinen aus den 1980er- und 1990er-Jahren stellen noch heute einen beträchtlichen Teil der Flotten der US-Airlines. Vor allem auf den Inlandstrecken sind noch viele Exemplare der McDonnell Douglas MD-80 oder der alten Boeing 737 Classic unterwegs, die schon wegen ihres Treibstoffverbrauchs in Europa kaum mehr zu sehen sind.

Hoffnung auf Folgeaufträge

Die Erneuerung der Flotten will Airbus Boeing nicht überlassen, denn die USA sind der weltgrößte Markt. Mehr als 20.000 neue Flugzeuge dieser Größe würden in den kommenden Jahren weltweit gebraucht, schätzt Airbus, davon 4700 in Nordamerika. Wer statt des Konkurrenzmodells Boeing 737 den Airbus A320 kauft, bestellt möglicherweise auch den neuen Großraumjet A350 oder gar den großen A380, für den Airbus händeringend Interessenten sucht.

Für Airbus geht es um weit mehr, als nur dem einzig bedeutenden Wettbewerber eins auszuwischen. Es geht um den Ausbau der Position in „Feindesland“. Zudem sind die drei Endfertigungslinien für A320-Maschinen in Hamburg-Finkenwerder, Toulouse und Tianjin voll ausgelastet. Im neuen US-Werk werden die Flugzeuge lediglich zusammengesetzt – die Tragflächen, die einzelnen Rumpfabschnitte, die Heckflosse und andere Teile werden in Hamburg gefertigt und vor allem per Schiff über den Atlantik gebracht.

Auch der Vorstoß nach China war zunächst umstritten, gilt aber inzwischen als Erfolg. Die dabei gesammelten Erfahrungen sollen nun helfen, die Produktion auch in den USA rasch auszubauen. Im Frühjahr 2016 soll das erste Flugzeug in Mobile ausgeliefert werden, 2018 will Airbus bereits vier Maschinen pro Monat montieren.

Kritik, dass Airbus in Boeings Heimatland über 1000 Arbeitsplätze schafft und im heimischen Rüstungsbereich zugleich tausende Stellen streicht, will Brégier nicht gelten lassen. Für jeden Job in Mobile entstünden vier neue in Europa, heißt es bei Airbus.

An den Börsen wirkte sich der neu eröffnete Schlagabtausch kaum aus, beide Aktien bewegten sich nur wenig. (dpa/eid)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2015)

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